München – Vor ein paar Jahren hat Georg Fahrenschon (52) schon einmal mit einer Influenza unliebsame Bekanntschaft gemacht – und jetzt auch mit Corona. „Ich bin durchaus hart im Nehmen“, sagt der frühere Sparkassenpräsident und bayerische Finanzminister, „aber Covid-19 war bei mir eine ganz andere Nummer als die Grippe: Ich hatte unerträgliche Kopfschmerzen – so extrem wie nie zuvor in meinem Leben.“ Inzwischen hat Fahrenschon die Krankheit überstanden. Nun unterstützt er die Wissenschaft im Kampf gegen die Pandemie und hilft möglicherweise Leidensgenossen.
Fahrenschon ist einer von über 2000 genesenen Covid-19-Patienten, die sich freiwillig beim Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) gemeldet haben. Sie waren einem Aufruf zur Blutspende gefolgt. Der Hintergrund: Das Blutplasma der Geheilten beinhaltet in den meisten Fällen Antikörper, die sich als Reaktion auf die Sars-Cov-2-Viren gebildet haben. Diese Eiweiße sind ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems. „Das Plasma mit den Antikörpern wird aus dem Spenderblut herausgefiltert und schwer kranken Covid-19-Patienten verabreicht – in der Hoffnung, dass ihr Immunsystem die Viren besser bekämpfen kann“, erklärt Professor Martin Hildebrandt (siehe unten). „Wenn sich die Antikörper-Therapie bewährt, könnte sie bereits in einem früheren Stadium der Erkrankung eingesetzt werden – zum Beispiel bei Patienten, die an der Schwelle zu einem schweren Verlauf mit künstlicher Beatmung stehen.“
Fahrenschon ist dieses Schicksal erspart geblieben. „Ich hatte einen vergleichsweise milden Verlauf.“ Aber der war heftig genug, um Fahrenschon körperlich und nervlich an seine Grenzen zu bringen. „Neben den permanenten Kopfschmerzen war ich extrem licht- und geräuschempfindlich. Ich lag in einem verdunkelten Raum, habe gedacht, mein Kopf zerspringt. Wenn meine Frau nur mal unabsichtlich die Zimmertür ins Schloss fallen ließ, wäre ich ihr fast an die Gurgel gegangen“, erinnert er sich. „Selbst wenn ich drei Ibuprofen-Tabletten geschluckt habe, ist es nicht besser geworden.“ Schmerzmittel seien einfach verpufft.
Fahrenschons Leidenszeit begann Ende März, mit leichteren Erkältungssymptomen. Nach einem positiven Testergebnis zog er in seinem Haus in Neuried in ein Zimmer in den Keller – „dorthin, wo sonst meine Schwiegermutter schläft, wenn sie zu Besuch kommt“, erzählt er schmunzelnd. Die 18 Tage verliefen weniger lustig – vor allem die akute, etwa neuntägige Krankheitsphase. Zu den Schmerzen kam der psychische Stress. „Man macht sich halt einfach Sorgen, wie es einem wohl ergehen wird. Und vor allem darüber, dass man seine Familienmitglieder nicht ansteckt.“ Doch die Fahrenschons hatten Glück: Weder Ehefrau Karin (51) noch die Töchter Allegra (17) und Cosima (13) infizierten sich. Auch Fahrenschons Mutter Elfi (88) blieb verschont – wenn auch der Preis dafür hoch war. „Sie lebt alleine, und wir konnten sie leider lange nicht besuchen“, erzählt der frühere Finanzminister.
Wo er sich angesteckt hat, darüber kann Fahrenschon nur spekulieren. Er fährt regelmäßig mit der U-Bahn in die Münchner Innenstadt zur Arbeit. In der Steuerberatungsgesellschaft WTS, in der Fahrenschon seit Januar 2019 als Generalbevollmächtigter sein Geld verdient, seien bislang nur sechs Covid-19-Fälle unter rund 1000 Mitarbeitern bekannt. Die meisten Erkrankten hätten sich im Skiurlaub in Südtirol infiziert. Seltsamerweise hatte er trotz der ansonsten heftigen Symptome keinerlei Husten oder gar Atemnot – die klassischen Beschwerden bei Patienten, die stärker unter Covid-19 leiden. Auch das Fieber kam erst ganz am Ende der akuten Krankheitsphase.
Inzwischen sind keine Sars-Cov-2-Viren mehr in seinem Körper nachweisbar, zwei sogenannte PCR-Test per Nasen- und Rachenabstrich fielen negativ aus. Trotzdem bleibt der 52-Jährige vorsichtig, hält Hygiene-, Abstands- und Maskenregeln ein – um andere zu schützen und weil nach wie vor nicht gesichert ist, ob Genesene wirklich immun sind. Fahrenschon: „Eine solche Erfahrung brauche ich kein zweites Mal.“