Riad – Die Familie des ermordeten regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi hat den Tätern nach eigenen Angaben vergeben. „Wir, die Söhne des Märtyrers Jamal Khashoggi, erklären, dass wir denjenigen verzeihen, die unseren Vater getötet haben“, schrieb Kashoggis ältester Sohn Salah am Freitag auf Twitter.
Dieser Schritt kann bedeuten, dass die Täter der Todesstrafe entgehen. Khashoggis türkische Verlobte Hatice Cengiz und Menschenrechtler reagierten mit scharfer Kritik, weil sie befürchten, dass die wahren Schuldigen straffrei ausgehen. Die Erklärung kommt kurz vor dem Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan an diesem Wochenende. Traditionell werden zu diesem Anlass in vielen muslimischen Ländern Amnestien verkündet. Salah Khashoggi zitierte aus dem Koran, wonach diejenigen auf Gottes Lohn hoffen dürften, die vergäben und für Ausgleich sorgten.
Ein saudisches Strafgericht hatte im Dezember im Fall Khashoggi fünf Männer in einem international kritisierten Verfahren zum Tode verurteilt, drei Angeklagte erhielten hohe Haftstrafen. Insgesamt standen elf Personen vor Gericht. Die Namen der Angeklagten sollten unter Verschluss bleiben, bis die Urteile rechtskräftig sind. Der saudische Analyst Ali Schihabi kam zu dem Schluss, dass die Täter nun der Todesstrafe entgingen, da die Familie nach dem in Saudi-Arabien geltenden islamischen Recht (Scharia) das Recht zur Vergebung habe.
Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Spezialkommando aus Riad getötet worden, als er Papiere für die Hochzeit mit seiner Lebensgefährtin Hatice Cengiz abholen wollte. Die saudische Regierung räumte den Mord auf internationalen Druck hin ein. Kronprinz Mohammed bin Salman bestritt aber, die Tötung selbst angeordnet zu haben. Die Ermittlungen führten aber zu Spuren im direkten Umfeld des Monarchen.
Hatice Cengiz schrieb, dieser abscheuliche Mord habe keine Verjährungsfrist. Niemand besitze das Recht, seinen Mördern zu vergeben. Der Chef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Kenneth Roth, twitterte, man könne sich nur ausmalen, welche „Kombination aus Bestechungen und Drohungen“ die Söhne dazu gebracht habe, den brutalen Mördern ihres Vaters zu vergeben. Die UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard erklärte, Saudi-Arabien habe wiederholt bewiesen, dass das Land keine Gerechtigkeit walten lassen wolle.