München – Der Knopf hat die Farbe Rot. Ausgerechnet. Als Markus Söder auf die kleine Bühne gerufen wird, drückt ihn Doro Bär – und es ertönt der euphorische Beifall von einem der letzten Parteitage, bei dem Söder zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. Diesmal ist alles anders. Im Raum klatscht niemand. Die Parteispitze steht vor den Kameras im Franz-Josef-Strauß-Haus im Münchner Norden. Die Delegierten sitzen zu Hause. Bär und Generalsekretär Markus Blume testen erst einmal die Technik bei zwei Probeabstimmungen. Immerhin, es funktioniert alles.
Nichts ist wie sonst bei diesem ersten virtuellen Parteitag der CSU. Es fehlt alles, was diese Treffen jenseits der Reden normalerweise ausmacht: Man trifft keine alten Bekannten. Delegierte können sich keinen Spitzenpolitiker schnappen, um auf Probleme vor Ort hinzuweisen. Es gibt keinen ausgelassenen Delegiertenabend. Insofern dient die Veranstaltung nur bedingt als Stimmungstest. In den Hallen kann man oft am Grad des Applauses oder dem Murren bei einzelnen Äußerungen ablesen, wie die Partei tickt. Hier folgt auf die Rede des Vorsitzenden zwar ein Leitantrag – doch die Abstimmung ist letztlich steril.
Söder hält seine Rede in seinem Büro oben unter dem Dach der Parteizentrale. Er sitzt am Schreibtisch unter dem Kruzifix, vor sich keine ausgefeilte Rede, sondern handschriftliche Notizen. Das alles sieht weniger nach Parteitag aus, sondern eher nach Neujahrsansprache – wäre da nicht die demonstrative Star-Trek-Tasse. In den sozialen Netzwerken ist sie umgehend das Hauptthema.
Für Söder selbst ist es nur ein weiterer Auftritt in dieser Corona-Krise. Aber ein wichtiger. Fast jeden Tag steht der Ministerpräsident vor irgendwelchen Kameras und verkündet seine Politik. Fast alles ist live zu sehen. Lauter kleine Neujahrsansprachen. Und wer sie regelmäßig verfolgt, erkennt vieles wieder.
„Ich bin sehr erleichtert und froh, heute sagen zu können, wir haben das Schlimmste zumindest vorerst überstanden“, beginnt der CSU-Chef. Erneut lobt er die Bevölkerung für die „großartige Geduld“. Und er bittet um weitere Nachsicht all jener, die ungeduldig werden. „Nicht jeder muss so besorgt sein wie die Staatsregierung oder die Bundesregierung – aber wir wären naiv, wenn wir nicht vorsichtig wären.“ Bayern werde auch weiter seinen vorsichtigen Weg bei der Öffnung gehen.
Söder bekommt viel Zuspruch für seine Krisenpolitik – auch von jenen, die nicht immer zum engeren Fanclub zählten. Alexander Dobrindt aus Berlin, Ilse Aigner aus Feldkirchen-Westerham, Ex-Minister Franz Josef Pschierer. Der Leitantrag muss zwar im Detail nachgebessert werden, wird schließlich aber mit nur einer Enthaltung angenommen.
Allerdings deutet sich eine Diskussionslinie an – auch mit den Nachbarn in Österreich. Es geht um das Merkel/Macron-Programm zur Unterstützung der europäischen Krisenländer. „Was wir ablehnen, ist eine Schuldenunion durch die Hintertür“, stellt der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in seinem Grußwort klar. Es dürfe nur eine einmalige Soforthilfe geben – keine gemeinsame Verschuldung auf Dauer. Damit dürfte er vielen Delegierten aus dem Herzen sprechen. Doch gleichzeitig mahnt Angelika Niebler, Chefin der Europagruppe: „Deutschland ist das Exportland Nummer 1. Die letzten Wochen haben gezeigt, wie vernetzt die Wirtschaft in Europa ist. Es reicht nicht, wenn es nur uns gut geht.“
Auch Söder mahnt: „Es gibt einen unglaublichen Überbietungswettbewerb, was jetzt alles gezahlt wird.“ In Deutschland. In Europa. Deshalb will er die weitere Neuverschuldung des Bundes auf 100 Milliarden Euro deckeln. „Es kann nicht sein, dass wir am Ende selbst ein Sanierungsfall werden.“