München – Bei Facebook ist die Welt noch in Ordnung. „Einigkeit macht stark“ steht über einem Bild, das Bayerns AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner und ihren sächsischen Kollegen Jörg Urban zeigt. Es ist in Dresden entstanden, wo sich beide jüngst zu Gesprächen trafen. Viele der Probleme in der Partei würden bloß „herbeigeredet“, steht da noch in vager Anspielung auf Andreas Kalbitz, der kurz zuvor aus der AfD geflogen war. Dass einige Probleme aber ganz real sind, bekommt die Bayerin nun selbst zu spüren.
Ein Teil ihrer Fraktion plant offenbar einen Coup: Ebner-Steiner, Co-Fraktionschef Ingo Hahn und der stellvertretende parlamentarische Geschäftsführer Ferdinand Mang sollen bei einer Sitzung am Mittwoch abgewählt werden. Ein entsprechender Antrag liegt unserer Zeitung vor. Zwölf von 20 Abgeordneten haben ihn unterzeichnet. Zu den genauen Motiven wollen sie sich vorerst aber nicht äußern. Man habe „absolutes Stillschweigen“ vereinbart, hieß es gestern.
Damit bricht der alte Machtkampf wieder auf, in dem sich die Fraktion seit ihrem Einzug in den Landtag aufreibt. Auf dem bisherigen Höhepunkt zeigte eine Gruppe um den Rosenheimer Abgeordneten Franz Bergmüller – einer der Unterzeichner des aktuellen Antrags – die eigene Fraktionschefin an. Der Vorwurf damals: Ebner-Steiner soll einen internen Mailverkehr ihrer Gegner veröffentlicht haben. Der Graben vertiefte sich, als im September 2019 kurzfristig eine Neuwahl der Fraktionsspitze angesetzt wurde. Ebner-Steiner wurde ohne Gegenstimme wiedergewählt – weil ihre Gegner gar nicht erst erschienen. Die nötigen Stimmen sicherte sich ihr Lager auch, indem es einzelne Abgeordnete mit Zulagen versorgte.
Ihre internen Gegner haben ihr das nie verziehen. Hinter den Kulissen hieß es stets, man wolle einen neuen Angriff wagen – allerdings erst nach den bayerischen Kommunalwahlen Mitte März. Die Corona-Krise dürfte den Plan noch etwas hinausgezögert haben. Umso lauter knallt es jetzt. „Ebner-Steiner hat das Vertrauen der Mehrheit der Fraktion verloren“, sagt ein Parteiinsider. Politisch sei das schon jetzt ein schwerer Schlag. Fraglich ist, ob es auch messbare Konsequenzen hat. Um Vorstandsmitglieder abzuwählen braucht es nämlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit von 14 Stimmen. Die Unterzeichner müssten also noch zwei weitere Abgeordnete von ihrer Sache überzeugen.
Gelänge es, wäre das nicht nur eine späte Revanche, es hätte wohl auch bundesweite Signalwirkung. Ebner-Steiner gehört nämlich zu den Anhängern des – offiziell aufgelösten – rechtsextremen „Flügels“, als dessen Strippenzieher der geschasste Kalbitz galt. Müsste sie ihr Amt nun abgeben, wäre das ein weiterer Schlag gegen ein bekanntes „Flügel“-Gesicht.
Die Auseinandersetzung in Bayern lässt sich trotzdem nicht auf einen bloßen Lager-Kampf reduzieren, es ist komplizierter. Weder der Co-Vorsitzende Ingo Hahn noch Ferdinand Mang gelten als ausgemachte „Flügel“-Anhänger, einige derer, die jetzt den Abwahlantrag unterschrieben haben, dagegen schon. Auch dass ausgerechnet die drei anderen Vorstands-Mitglieder, darunter zwei echte „Flügeler“, erst mal verschont bleiben sollen, zeigt, dass es hier vor allem um persönliche Kränkungen geht.
Am Mittwoch soll es jedenfalls hart zur Sache gehen, wie aus der Fraktion zu hören ist. Wie unsere Zeitung erfuhr, wollen die Unterzeichner des Antrags unter anderem mit der mangelnden Arbeitsmoral einzelner argumentieren, um die zwei fehlenden Stimmen zu bekommen. Gerade Ebner-Steiners Anwesenheit im Haushaltsausschuss weise Lücken auf, hieß es gestern. Der Ausschussvorsitzende Josef Zellmeier (CSU) bestätigte das gegenüber unserer Zeitung: „Frau Ebner-Steiner fehlt ausgesprochen oft und hat, wenn sie da ist, nur wenige Wortbeiträge.“
Nun könnte sich die Fraktion nach qualvollen Monaten umsortieren – als einer der neuen Chefs stünde womöglich Ebner-Steiners Dauerrivale Bergmüller bereit. Nach der Macht wollte er erst nach dem Ende des jahrelangen Streits um seine Parteimitgliedschaft greifen. Das ist jetzt der Fall. Bayerns AfD-Chefin Corinna Miazga bestätigte gestern auf Anfrage, dass Bergmüller seit dem 11. Mai offiziell AfD-Mitglied ist.
Ob sich Ebner-Steiner ihrem ewigen Konkurrenten unterordnen würde oder ob es zum Bruch käme, ist eine der großen offenen Fragen. Weder sie noch Hahn waren gestern für Stellungnahmen zu erreichen.