Ein Korridor nach Südtirol

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Der deutsche Tourist war selten so begehrt wie in diesen Corona-Tagen. Zwar sind die meisten Grenzen noch geschlossen, aber die Urlaubsländer im Süden werben schon heftig für die Zeit danach. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz twitterte kürzlich, seine Regierung werde „alles tun, um den Urlaub in Österreich zu bewerben“. Keinesfalls aber wolle er die „Grenzen zu Ländern öffnen, die die Situation noch nicht unter Kontrolle haben“.

Damit deutete Kurz recht unverhohlen auf Italien, das ebenfalls unter dem Touristen-Entzug leidet. Über die Frage der Grenzöffnung wird inzwischen heftig gestritten. Während Wien auf Nummer sicher gehen und den Brenner geschlossen halten will, fordert vor allem Südtirol die schnelle Öffnung. In Rom mutmaßen manche, Österreich wolle die Grenzen nur dicht lassen, um die Touristen für sich abzugreifen.

Da mag was dran sein – allerdings ist die Stimmung in Südtirol zuletzt wieder gestiegen. Wenn Italien nämlich am 3. Juni seine Grenzen öffnet, können deutsche Touristen wieder ungehindert einreisen. Österreich lässt sie durch, sofern sie garantieren, zwischen den Grenzen im Auto zu bleiben. Das bestätigte das Innenministerium in Wien unserer Zeitung. Der ÖVP-Politiker Hermann Gahr drückte es so aus: „Dass Österreich die Durchreise von deutschen Gästen nach Südtirol behindern würde, ist ein Märchen, das von manchen offenbar gezielt verbreitet wird.“

Der Kampf um die Touristen wird in der Corona-Krise hart geführt und nimmt mitunter kuriose Züge an. Ende April machte Österreichs Tourismusministerin Elisabeth Köstinger Hoffnung auf baldigen Urlaub im Alpenland. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sah sich Tage später zu einer kleinen Korrektur genötigt: Der Freistaat sei genauso schön, sagte er. „Also wer Österreich genießen will, kann das auch in Bayern tun.“

Man darf davon ausgehen, dass Söder die Pfingstferien, die kommende Woche beginnen, dabei schon im Blick hatte. Als das Innenministerium dann Gespräche mit Österreich, Frankreich und der Schweiz über die gemeinsame Grenzöffnung führte, setzte sich der Berliner Mittelweg durch, für den innerhalb Deutschlands vor allem Söder geworben hatte: Die vier Länder einigten sich auf den 15. Juni, den Montag nach Ende der Pfingstferien. Die Urlauber, so die Hoffnung der Staatsregierung, würden in Bayern bleiben.

Österreichs Kanzler Kurz, der gerne viel früher geöffnet hätte, stimmte zu – und reibt sich jetzt womöglich die Augen. Denn während Tirol für bayerische Urlauber bis zum 15. Juni tabu ist, können sie schon ab 3. Juni quasi ungehindert nach Südtirol fahren.

Dort ist man froh über die Transitmöglichkeit. „Die Durchfahrt funktioniert ja praktisch wie ein Korridor“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher unserer Zeitung und versicherte, dass Urlauber problemlos in Südtirol ankämen. Auch Quarantäne müssen sie nicht mehr fürchten. Bayern hat die Quarantänepflicht schon abgeschafft – in Italien fällt sie mit der Grenzöffnung am 3. Juni.

Für Österreicher gilt das nicht: Sie müssen, wenn sie nach Italien reisen, auf dem Rückweg auch weiterhin in Quarantäne – und sparen sich den Südtirol-Urlaub deshalb lieber. Für Kompatscher ist das ein Ärgernis. „Ich denke, dass es eine europäische Lösung mit gemeinsamen Sicherheitsstandards und Datenaustausch braucht“, sagte er. Gespräche darüber liefen bereits – auch mit Kanzler Kurz sei er in gutem Kontakt. Klingt so, als würde sich im Grenzstreit mit Österreich eine Lösung abzeichnen.

Bayerns Urlauber müssen sich die Frage stellen, ob sie die Fahrt nach Südtirol wagen wollen. Immerhin gilt noch immer eine weltweite Reisewarnung, was etwa Probleme mit der Versicherung mit sich bringen kann (siehe Bayern-Teil). Außerdem muss, wer an Österreichs Autobahnraststätten einen Stopp einlegt, mit Polizeikontrollen rechnen. Hinterm Brenner ist die Welt dann wieder in Ordnung.

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