Brüssel – Vier Wochen lang hat Ursula von der Leyen hinter den Kulissen gefeilt und mit Europas Hauptstädten gefeilscht. Sie schlägt nun vor, dass die EU-Kommission an den Finanzmärkten Kredite in Höhe von 750 Milliarden Euro aufnimmt. Der Großteil dieses Geldes soll dann über ein Programm namens „Next Generation EU“ in die Mitgliedstaaten fließen und helfen, die eingebrochene Konjunktur anzukurbeln. 500 Milliarden Euro könnten als nicht zurückzahlbare Zuschüsse überwiesen werden, weitere 250 Milliarden Euro als Kredite.
Die EU-Kommission hat von den 750 Milliarden Euro insgesamt 655 Milliarden Euro nach bestimmten Kriterien für die einzelnen EU-Staaten reserviert. Der Großteil der Mittel soll demnach an die Länder vergeben werden, die wirtschaftlich am stärksten von der Corona-Krise getroffen werden. So sind allein 173 Milliarden Euro für Italien und 140 Milliarden Euro für Spanien vorgesehen. Die beiden Länder würden damit knapp die Hälfte der vorab zugewiesenen Mittel bekommen. Deutschland käme mit 28,8 Milliarden Euro nur auf einen Anteil von rund vier Prozent, Frankreich mit knapp 39 Milliarden Euro auf knapp sechs Prozent.
Die EU-Kommission will, dass vor allem in Zukunftsbereiche wie Klimaschutz, Digitalisierung, Forschung oder Gesundheit investiert wird. Das Geld soll deswegen über EU-Programme vergeben werden. So wird es möglich, Bedingungen zu formulieren.
Zurückgezahlt werden sollen die Schulden über den EU-Haushalt, der sich wiederum vor allem aus Beiträgen der Mitgliedstaaten speist. Deutschland könnte damit mehr als ein Viertel der Last tragen. Die Schuldentilgung soll dem Konzept zufolge 2028 beginnen und spätestens 2058 abgeschlossen sein.
Um die Rückzahlung zu vereinfachen und zu verhindern, dass ab 2028 Programme stark gekürzt werden müssen, schlägt die Kommission die Einführung neuer Abgaben und Steuern vor. Konkret im Gespräch sind eine neue Steuer für Digitalkonzerne, ein Abgabe auf nicht recycelbares Plastik und eine sogenannte CO2-Grenzsteuer. Letztere könnte als Ausgleichsmechanismus gegen den Import billiger, klimaschädlicher Produkte aus dem Ausland fungieren. Außerdem könnte die EU neue Einnahmen aus dem Emissionshandel bekommen, wenn dieser ausgeweitet werden sollte.
Dass es bereits beim EU-Gipfel am 19. Juni eine Einigung über den Plan gibt, erscheint höchst fraglich. Besonders schwierig dürften die Verhandlungen werden, weil sich die EU-Staaten noch nicht einmal einig sind, wie der normale EU-Haushalt ab dem kommenden Jahr aussehen soll. Die Kommission legte auch zu diesem Thema gestern einen neuen Vorschlag vor. Er sieht für die Jahre 2021 bis Ende 2027 einen Finanzrahmen mit einem Volumen von 1,1 Billionen Euro vor. dpa