Die Gräben klaffen weiter

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Vorsichtig, fast schüchtern kommt Katrin Ebner-Steiner aus Saal 3 des Landtags. Ihr Co-Fraktionschef Ingo Hahn gibt da schon sein Statement ab, spricht von einem „Auf und Ab“, das es ja immer mal gebe in der Politik. Als die Niederbayerin dran ist, wirkt sie fahrig, verhaspelt sich, weicht Fragen aus. Das heutige Ergebnis, sagt sie, sei nur eine Momentaufnahme. Es klingt, als glaube sie es selbst nicht.

Wäre es nach ihren Gegnern gegangen, dann wären die zwei AfD-Fraktionschefs jetzt einen Kopf kürzer, politisch gesehen. Eine Mehrheit der 20 Abgeordneten hatte am Wochenende einen Abwahlantrag unterschrieben, der auch den parlamentarischen Vize-Geschäftsführer Ferdinand Mang aus dem Amt kegeln sollte. Am Ende reicht es aber doch nicht, weil nach der geheimen Abstimmung gestern zwei sicher geglaubte Stimmen fehlen. Zwölf zu acht gegen das Führungstrio. Keine Abwahl, jedenfalls nicht formal.

Dabei waren sich die Aufständischen um den Rosenheimer Gastwirt Franz Bergmüller eigentlich sicher, die ihnen verhasste Ebner-Steiner diesmal stürzen zu können. 14 Stimmen hätte es laut Satzung gebraucht, eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Glaubt man Bergmüller, dann gab es die 14 Stimmen auch, bis Dienstagabend, 22.30 Uhr. Da habe er erfahren, dass Roland Magerl, der Vize-Fraktionschef, einen Rückzieher macht, und mit ihm Stefan Löw. „Magerl hat mir sein Ehrenwort gegeben“, sagt Bergmüller spürbar geladen, als alles gelaufen ist. „Dieser Pharisäer.“

Auf der Abwahlliste standen Löw und Magerl nicht als Unterzeichner, es heißt, man habe sie damit schützen wollen. Vermutlich ging es aber auch darum, zu verhindern, dass sie umfallen. Intern heißt es, sie seien in ihren Wahlkreisen unter Druck gesetzt worden. Die beiden behaupten indes, nie mit im Boot gewesen zu sein.

Die Sache ist durch, die Fraktionsspitze bleibt. Die Frage ist bloß: Wie soll das gut gehen? Sie hat nun die Mehrheit der Abgeordneten gegen sich; dass das die Zusammenarbeit, gelinde gesagt, verkompliziert, wollen die beiden Chefs aber nicht einsehen. „Wir sind der legitim gewählte Vorstand“, sagt Hahn. Jetzt wolle er seine Amtszeit „pflichtgemäß“ bis zum Ende durchziehen und nicht beim ersten Gegenwind umfallen. Ebner-Steiner meint, die Unruhe aus der Bundespartei sei nach Bayern geschwappt. Über Pfingsten wolle sie mit allen reden und für Stabilität sorgen.

Darüber können Bergmüller und Co. nur müde lächeln. Der Graben ist längst zu tief, um ihn mit ein paar Pfingst-Gesprächen wieder zuzuschaufeln. Lange vor dem Machtkampf in Berlin hieß es in der Fraktion schon, dass es einen neuen Versuch geben werde, Ebner-Steiner zu stürzen, spätestens nach der Kommunalwahl im März. Dann kam die Corona-Krise dazwischen. Jetzt schien der Zeitpunkt gekommen.

„Es ist nicht zu verstehen, dass Ebner-Steiner bei diesem Ergebnis im Amt bleibt“, sagt der Münchner Abgeordnete Uli Henkel, der zur Gruppe um Bergmüller gehört. In der Sitzung habe man die Chefin zum Rücktritt aufgefordert, aber sie habe nicht mal reagiert. Auch in der Gruppe der Aufrührer denkt aber niemand an persönliche Konsequenzen wie Austritte, im Gegenteil. „Wir ziehen jetzt einfach alles an uns“, sagt Henkel, und neben ihm nickt der Bad Aiblinger Andreas Winhart: „Wir Zwölf haben die einfache Mehrheit. Damit tun wir, was wir wollen.“

Die Fraktionsspitze soll die neuen Kräfteverhältnisse zu spüren bekommen. Einen Vorgeschmack gibt es gestern schon. Ingo Hahn hat gerade angekündigt, dass die Sitzung noch ein Weilchen dauern kann, als Bergmüller, Henkel, Winhart und Co. aus dem Saal kommen. Sie haben die Sitzung abgebrochen, mit einfacher Mehrheit.

Artikel 9 von 11