Karlsruhe – Die Abwahl des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner vom Vorsitz des Rechtsausschusses ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestags – und wirft auch für das Bundesverfassungsgericht Fragen auf. Es bedürfe genauerer Prüfung, ob die Fraktion in ihren Rechten beeinträchtigt sei, teilte das Gericht am Freitag mit. Einen Eilantrag lehnten die Richter aber ab. Damit wollte die Bundestags-AfD erreichen, dass Brandner seine Aufgaben wieder wahrnehmen darf (Az. 2 BvE 1/20) .
Die Abgeordneten der anderen Parteien im Ausschuss hatten Brandner für nicht mehr tragbar gehalten und ihn am 13. November abgesetzt. Grund waren mehrere Eklats, die der Rechtsanwalt aus Thüringen ausgelöst hatte. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den AfD-kritischen Rocksänger Udo Lindenberg hatte Brandner mit der Bemerkung „Judaslohn“ kommentiert. Auch mit seinen Reaktionen auf den antisemitisch motivierten Terroranschlag von Halle mit zwei Toten löste er Empörung aus. Brandner selbst hatte einen Rücktritt ausgeschlossen. Seit seiner Absetzung wird der Ausschuss von dessen Vizechef Heribert Hirte (CDU) geleitet. Die AfD hat bisher keinen neuen Kandidaten aus ihren Reihen bestimmt.
Das war für die Verfassungsrichter mit ein Grund für die Ablehnung des Eilantrags. Die AfD habe es selbst in der Hand, ihre Beeinträchtigung durch die Benennung eines anderen Kandidaten zu verringern, teilte das Gericht mit. Damit sei sie an der Erfüllung ihrer Oppositionsaufgaben nicht vollständig gehindert. Erst im Hauptsacheverfahren werden die Richter feststellen, ob die Abwahl Brandners verfassungswidrig war. ANJA SEMMELROCH