Minneapolis/Washington – Reißt Euch zusammen, sonst lasse ich das Militär auf Euch los und es wird geschossen! Das ist sinngemäß die Botschaft von US-Präsident Donald Trump an gewaltsame Demonstranten in Minneapolis. Der demokratische Bürgermeister der Stadt, Jacob Frey, fleht seine wütenden Mitbürger an, friedlich zu demonstrieren. Der republikanische Präsident hingegen gießt über Twitter Öl ins Feuer – und das so unverblümt, dass der Kurznachrichtendienst seine Botschaft in einem beispiellosen Schritt erstmals als „gewaltverherrlichend“ einstuft. Der Streit des Präsidenten mit den sozialen Netzwerken gewinnt dadurch weiter an Fahrt.
Minneapolis brennt. Neben friedlichen Protesten kommt es in der Nacht den dritten Tag in Folge zu Ausschreitungen, Plünderungen und Brandstiftungen. In der Stadt brodelt es, seit der Afroamerikaner George Floyd (46) am Montag infolge eines brutalen Polizeieinsatzes ums Leben kam. Das Video von Floyds Festnahme zeigt den weißen Polizisten Derek Chauvin, der sein Knie in den Hals des am Boden liegenden Mannes drückt. „Ich kann nicht atmen“ steht auf Schildern von Demonstranten. Das sagte auch Floyd zuletzt, als ihm der Polizist im Genick saß.
In vielen Städten kommt es nun zu Protesten. Politiker, Sportler und Schauspieler äußern über soziale Medien Entsetzen und Wut. Was Floyd widerfahren sei, müssten schwarze Amerikaner „seit Generationen“ ertragen, meint etwa die demokratische Senatorin Kamala Harris. „Der Abbau von systemischem Rassismus beginnt damit, Gerechtigkeit zu fordern und Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Trumps Tweets zeigen einmal mehr, wie Rassismus aussieht.“
Trump hatte es zunächst als schrecklich bezeichnet, was Floyd widerfahren war. Nach den erneuten Ausschreitungen schien ihm in der Nacht zum Freitag aber der Kragen geplatzt zu sein. Er bezeichnete Bürgermeister Frey via Twitter als unfähig und wetterte über protestierende „Schlägertypen“: „Habe gerade mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär ganz an seiner Seite steht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, werden wir die Kontrolle übernehmen, aber wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen.“
Wie US-Medien umgehend anmerkten, zitierte Trump damit einen historisch belasteten Satz aus dem Jahr 1967, mit dem der damalige Polizeichef von Miami ein hartes Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung ankündigte. Trumps martialischer Tweet wurde von Twitter mit einem Warnhinweis versehen. „Dieser Tweet hat die Twitter-Regeln zur Verherrlichung von Gewalt verletzt“, hieß es. Er bleibe aber auf der Plattform, weil dies im öffentlichen Interesse sei. Trump legte daraufhin mit einer Reihe wütender Äußerungen über Twitter nach.
Twitter ist das Lieblingsmedium des Präsidenten, er kann dort seine 80 Millionen Follower direkt erreichen. Doch seit Tagen liegt er mit dem Medium im Clinch. Mit dem Warnhinweis zur Gewaltverherrlichung feuerte nun Twitter den nächsten Schuss ab. „Twitter macht nichts zu all den Lügen und der Propaganda, die von China oder der radikal linken demokratischen Partei veröffentlicht werden“, schrieb Trump erbost. Natürlich auf Twitter. Die Firma hatte diese Woche unter anderem auch einen Post eines chinesischen Diplomaten mit einem Faktencheck-Hinweis versehen.
Trumps Wut wird wohl auch nicht dazu beitragen, die neu entfachten Spannungen zwischen schwarzen und weißen Amerikanern zu entschärfen. Immerhin: Im Fall George Floyd ist nun einer der vier beteiligten Polizisten verhaftet worden. Derek Chauvin war der Beamte, der auf Floyds Genick kniete. Alle notwendigen Beweise lägen nun vor, der Polizist werde wegen Mordes und Totschlags angeklagt, sagte der zuständige Bezirksstaatsanwalt Mike Freeman. Normalerweise dauere eine solche Anklage Monate. Die Fälle der anderen beteiligten Polizisten würden noch untersucht. Sie wurden bislang nur aus dem Dienst entlassen.