Neuer Vorstoß für Arznei-Versandhandel-Verbot

von Redaktion

Konsequenz aus Corona: CSU-Abgeordnete fordern Stärkung der Apotheken-Versorgung vor Ort

München/Berlin – Seit 2004 muss man in Deutschland nicht mehr in die Apotheke gehen, um ein Medikament zu kaufen. Online-Anbieter locken mit Heimlieferung und günstigen Preisen. Für viele Apotheken – die gleichzeitig die Vor-Ort-Versorgung sicherstellen – ist das ein großes Problem. Die CSU-Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner und Wolfgang Stefinger fordern deshalb: Wenn die Arzneimittel-Preise nicht mit milderen Mitteln angeglichen werden können, muss der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verboten werden.

Natürlich sei der InternetHandel gerade in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Infektionsangst sehr gefragt, sagt Zeulner. Doch: „Bei allen Vorteilen einer digitalen und vernetzten Welt bringt es der Mama mit dem kranken Kind am Wochenende nichts, dass irgendwo eine Online-Apotheke sitzt, die mit Rabatten lockt.“ Da brauche man die Apotheke vor Ort – gerade auch auf dem Land. Auch in der Corona-Krise seien es die Apotheken gewesen, „die innerhalb kürzester Zeit Desinfektionsmittel hergestellt haben und zu jeder Zeit die sofortige Versorgung der Patienten sichergestellt haben“, sagt Zeulner. Sie fordert: „Qualitäts- statt Preiswettbewerb! Das kommt am Ende vor allem dem Patienten zu Gute.“ Und dafür, dass auf Heimlieferungen angewiesene Kunden versorgt werden, müssten die Apotheken sorgen. „Dazu müsste man gegebenenfalls die Botendienste weiter stärken.“

Das Thema ist seit 2016 umkämpft. Damals entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass ausländische Versandapotheken sich beim Vertrieb verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht an die deutsche Preisbindung halten müssen und ihren Kunden Boni einräumen dürfen. „Da können unsere Apotheken nicht mithalten, ohne gegen das geltende Recht der Preisbindung zu verstoßen“, sagt der Münchner Abgeordnete Stefinger. Diese Regelung soll gewährleisten, dass Patienten überall denselben Preis bezahlen und kein Standortnachteil entsteht.

Die Politik reagierte – zunächst. „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein“, schrieben Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag. Der damalige CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe brüstete sich 2018 damit, die Passage in den Verhandlungen durchgesetzt zu haben. Doch sein Nachfolger Jens Spahn (CDU) verwarf die Pläne. Er hält das Vorhaben für chancenlos, weil ein Versandhandelsverbot mit europäischem Recht nicht vereinbar sei. Eine Niederlage vor dem EuGH will sich Spahn ersparen. Und seine Bemühungen um eine andere Lösung stocken.

Zwar ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikameten bisher nur in sieben von 27 EU-Ländern möglich. Doch in den Augen einiger Juristen ist es ein Unterschied, ob ein Land ihn nie erlaubt hat – oder ihn nach 16 Jahren wieder verbietet.

Zeulner und Stefinger fordern, es notfalls darauf ankommen zu lassen. „Unser gemeinsames nationales Interesse muss es sein, die Strukturen der Versorgung mit Medikamenten wieder zurückzuholen und uns auch von anderen Ländern unabhängiger zu machen. Das hat uns die Covid-19-Pandemie nochmals deutlich vor Augen geführt“, sagt Zeulner. Und anders als Spahn glauben die CSU-Abgeordneten, dass ein entsprechendes Gesetz durchaus vor Gericht standhalten könnte. Schließlich gebe es auch juristische Gutachten, die dafür gute Chancen sehen – zum Beispiel vom ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio.

SEBASTIAN HORSCH

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