Verfassungs-Hüterin oder -Feindin?

von Redaktion

VON ALEXANDER WEBER

Schwerin/München – Jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, wird auch die CDU-Chefin wach. Annegret Kramp-Karrenbauer kritisiert ihre Parteifreunde in Mecklenburg-Vorpommern dafür, der Linken-Politikerin Barbara Borchardt bei der Wahl zur Landesverfassungsrichterin ihre Stimmen gegeben zu haben. Vorabsprachen zwischen Landtagsfraktionen bei der Besetzung von Verfassungsgerichtshöfen seien zwar nicht zu beanstanden, meint Kramp-Karrenbauer verständnisvoll im Sender n-tv. Aber dass bei den Gesprächen in Schwerin, „von Seiten der CDU und SPD nicht sorgsam genug über die Eignung der Kandidatin gesprochen wurde, ist nicht nachvollziehbar“. Nicht sorgsam genug?

Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ aus „Meck-Pomm“ berichtet – immerhin der Landesverband der Bundeskanzlerin Angela Merkel – wurde bei den Anhörungen in den Fraktionen keine einzige Frage zu den persönlichen politischen Überzeugungen Borchardts gestellt. Man achtete bei CDU und SPD wohl eher darauf, dass man bei der Wahl am 15. Mai die nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament für die eigenen Kandidaten des siebenköpfigen Gerichts zusammenbekam.

Das könnte sich jetzt rächen. Die Diplomjuristin Borchardt hat eine lupenreine SED-Karriere hinter und die DDR-Ideologie noch immer tief in sich. Nicht nur, dass sie auch heute noch den Standpunkt vertritt, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Oder dass man das mit den vielen Mauertoten bei der Republikflucht relativieren müsse, schließlich seien auch Grenzsoldaten erschossen worden, wie sie in einem „SZ“-Interview meint.

Nein, im Zentrum der Kritik steht vor allem die Mitgliedschaft der 64-Jährigen in der „Bundesarbeitsgemeinschaft Antikapitalistische Linke“ (AKL). Diese Organisation wird vom Verfassungsschutz des Bundes beobachtet. Im Jahresbericht 2018 heißt es, die „Antikapitalistische Linke“ fordere einen grundsätzlichen Systemwechsel sowie die Überwindung der bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch einen Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen. Und weiter: Mitglieder der „AKL“ strebten Funktionen in der Linken an und versuchten, den ideologischen Kurs der Partei zu beeinflussen.

Tatsächlich fordert die Gruppierung nicht nur die Enteignung aller Banken, Versicherungen und „strukturbestimmenden Konzerne der Weltwirtschaft“ – wie es im Gründungsaufruf von 2013 heißt. Sie will in Deutschland auch den Sozialismus einführen, was „nur gestützt auf außerparlamentarische soziale Massenbewegungen und gewerkschaftliche Kämpfe“ möglich sei. Erst im März machte einer ihrer Sprecher Schlagzeilen, als er bei einer „Strategiekonferenz“ der Linken erklärte, Aufgabe der Partei sei Folgendes: „Staatsknete im Parlament abgreifen. Informationen aus dem Staatsapparat abgreifen. Der Bewegung zuspielen.“

Den Parteichef der Linken, Bernd Riexinger, stört das nicht. Er stellt sich ausdrücklich hinter Borchardt: „Ein Verfassungsgericht schützt die Verfassung und nicht die Wirtschaftsordnung – die ist im Grundgesetz nämlich nicht festgelegt.“

Was Riexinger nicht erwähnt, ist, dass nach Artikel 14 des Grundgesetzes das Eigentum in Deutschland gewährleistet wird – was eine Abschaffung des Kapitalismus ausschließt. Einer Beobachtung durch das Bundesamt geht zudem eine Prüfung voraus. Nur bei Bestrebungen, die gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, darf es laut Gesetz aktiv werden.

CSU-Generalsekretär Markus Blume reagierte schockiert auf die Wahl Borchardts. Er twitterte: „Wer Verfassungsfeind ist, kann kein Hüter der Verfassung sein – das ist schizophren.“ Auch der Vorsitzende des Stiftungsrates der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der SPD-Politiker Markus Meckel, versteht die Welt nicht mehr: „Ich bin ziemlich entsetzt.“

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