Kein Nein mehr

von Redaktion

Söder und die Kanzlerkandidatur: Der CSU-Vorsitzende legt sich nicht mehr auf Bayern fest

München/Berlin – Es ist eine harmlose Frage, aber bei Markus Söder bleibt wenig harmlos. Wo er heuer Sommerurlaub machen wolle? Sicher in Deutschland, antwortet der CSU-Vorsitzende in der „Welt am Sonntag“, „ich kann mir gut vorstellen, auch mal nach Norden an die Küste zu fahren“. Mehr noch: Söder schwärmt von Watt-Wanderungen, erzählt von Einladungen aus dem Norden und Nordosten. Nanu: Der Ministerpräsident, der bisher bis an die Schmerzgrenze für Bayern-Urlaub warb, denkt nun fürsorglich bundesweit.

Söder ist ein Politiker-Typus, dem fast nie Unbedachtes über die Lippen flutscht. Auch bei Privatem steckt immer ein politischer Ansatz dahinter. Ohne die Urlaubspläne zu dramatisieren: Es zeigt sich, dass der CSU-Chef neuerdings anders mit bundesweiten Fragen umgeht. Noch auffälliger ist, dass er neu auf das Thema Kanzlerkandidatur reagiert – ebenfalls weniger weiß-blau.

Bisher war seine Standard-Antwort: „Mein Platz ist in Bayern.“ Oft fügte er an, ein CSU-Politiker bekomme im Norden und Osten kaum Unterstützung. Inzwischen spricht Söder lieber über Verantwortung, über einen internationalen Horizont in der Landes- wie in der Bundespolitik. Im jüngsten Interview sagt Söder, man müsse die Wahl des neuen CDU-Chefs im Dezember abwarten. „Die Frage, wer als Kanzlerkandidat antritt, wird voraussichtlich erst im Januar entschieden.“ Und: „Wer weiß, was bis dahin noch alles passiert.“

Die neue Wortwahl versprüht keine Begeisterung. Es ist aber kein kategorisches Nein mehr. „Da hat sich was verändert“, heißt es in der CSU-Spitze. Söder wisse, es gebe ein Zeitfenster 2021, nicht erst wie erhofft 2025. Nach wie vor ziehe es den Franken nicht nach Berlin, auch wenn er in der Bundespolitik eine feste Größe wurde.

Spannend ist der Zeitplan. Die K-Frage der Union im Januar zu klären, heißt auch: Die CSU duldet auf dem CDU-Parteitag im Dezember keine Verknüpfung zwischen dem dort zu wählenden neuen Parteichef und der Kanzlerkandidatur. Januar ist zudem der Monat, den die CSU mit ihren Klausuren in Oberbayern stärker dominiert als jede andere Partei.

Die Ausgangslage ist neu. Das Umfragehoch in der Corona-Krise lässt die Union mit 37 bis 40 Prozent sogar schon von Schwarz-Gelb träumen, die Urangst, 2021 als Vize eines grünen Kanzlers Habeck zu enden, ist gerade fern. Es gibt also was zu holen. Der Unions-Höhenflug dämpft die Sorge in München, ein mauer Wahlkampf der CDU – wie etwa vor der Europawahl für Manfred Weber – könne einen CSU-Kanzlerkandidaten ausbremsen.

In personalisierten Umfragen führt Söder hoch. Im ARD-Deutschlandtrend vor drei Wochen erklärten 53 Prozent, Söder wäre ein guter Kandidat. Über den in der Krise abgetauchten Friedrich Merz sagten das nur 33 Prozent. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, in der Corona-Politik mit Söder überkreuz, erhielt nur 27 Prozent, Norbert Röttgen nur 21. Alle drei gelten in der Union inzwischen als angeschlagen.

Deshalb werden intern bereits andere Modelle gehandelt: dass Annegret Kramp-Karrenbauer vorerst einfach CDU-Chefin bleibt, oder dass Minister Jens Spahn vom Tandem mit Laschet springt und selbst als Parteivorsitzender kandidiert – jeweils mit Söder als Kanzlerkandidat.

Auf die Frage, ob er doch noch einmal über seine Rolle im Bund nachdenke, sagt Söder unschuldig: „Ich habe nur ganz allgemein gedacht.“

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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