Neue Milliarden für die Konjunktur

von Redaktion

VON JÖRG RATZSCH UND JÖRG BLANK

Berlin – Es sollte diesmal keine dieser gefürchteten Berliner Nächte werden, in denen die Koalition bis zum Morgen durchverhandelt und dann rotäugig vor die Kameras tritt. Nur bis 23 Uhr werde man reden, vereinbarte das Bündnis am Dienstagnachmittag, und sich dann auf den Mittwoch vertagen. Die Verlängerung ist wohl nötig, denn bis zum Abend zeichnete sich keine Annäherung ab.

Die Beratungen im Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD liefen „zäh, aber ernsthaft, konzentriert und sachlich“, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Alles sei im Fluss. Da alle Punkte zügig umgesetzt werden sollten, werde man am Mittwoch die volle Zeit ausnutzen. Dissens gibt es in der Runde offenbar, welcher der Konjunktur-Vorschläge überhaupt wirkt. Gerungen wurde dem Vernehmen nach auch über Forderungen aus der SPD, bei den Maßnahmen keine Kostengrenze einzuziehen, wie dies etwa CSU-Chef Markus Söder gefordert hatte.

Auf dem Tisch liegen Dutzende von Vorschlägen. Das Ziel: die konjunkturellen Folgen der Corona-Krise abmildern. Es geht um die Unterstützung von Familien, Unternehmen und Kommunen. Ein Überblick:

KAUFPRÄMIEN FÜR AUTOS: Viel diskutiert wurde über solche Hilfen, um die deutsche Schlüsselindustrie und von ihr abhängige Branchen wie Zulieferer zu stützen. Dafür gibt es in der Koalition auf beiden Seiten Befürworter und Gegner. Wegen der Klimakrise ist eine solche Maßnahme umstritten. Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen schlagen eine „Innovationsprämie“ vor. Gefördert werden sollten aus Sicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder moderne Autos, die weniger CO2 produzieren.

FAMILIENBONUS: Im Gespräch ist eine Einmalzahlung von 300 Euro pro Kind, um Familien zu unterstützen und um den Konsum anzukurbeln. Die SPD setzt sich dafür besonders ein. Aber auch Unionspolitiker haben Sympathien dafür gezeigt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kann sich sogar 600 Euro vorstellen. Umstritten ist, ob ein solcher Bonus an alle Familien ausgeschüttet würde oder nur an bedürftige.

KOMMUNEN: Ein weiteres Streitthema sind Finanzhilfen für die Kommunen, denen durch die Krise Steuereinnahmen wegbrechen und gleichzeitig mehr Kosten durch steigende Arbeitslosigkeit entstehen. SPD-Finanzminister Olaf Scholz möchte sie unter anderem durch Übernahme ihrer Altschulden helfen. Aus der Union kommt ein Gegenvorschlag: Der Bund könnte die Kommunen entlasten, indem er einen größeren Anteil der Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern trägt und auf Anteile aus der Gewerbesteuer verzichtet.

INFRASTRUKTUR: In ihren Ausbau könnte ein großer Teil des Konjunkturpakets fließen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) möchte um die 28 Milliarden Euro unter anderem in Bahnverkehr, Straßenbau und digitale Infrastruktur stecken.

STEUERN UND HILFEN: Vorab diskutiert wurde außerdem über viele andere Vorschläge und Forderungen: mehr Klimaschutz, Milliardenhilfen für die Veranstaltungs- und die Kulturbranche, die unter der Krise besonders leiden, eine vollständige und schnellere Abschaffung des Solidaritätszuschlags, damit den Steuerzahlern mehr Geld zum Ausgeben bleibt, Steuererleichterungen für Unternehmen, Konsumgutscheine und Mobilitätsgutscheine für den Kauf von Fahrrädern oder für öffentliche Verkehrsmittel, Entlastung bei den Strompreisen und mehr Geld für die Forschung.

Das Volumen des Konjunkturprogramms wird auf 75 bis 80 Milliarden Euro geschätzt. Der Umfang der bisher größten Konjunkturmaßnahmen, die 2008 und 2009 in Folge der Finanzkrise auf den Weg gebracht wurden, wurde damals auf gut 90 Milliarden beziffert. Allerdings liegt der Bund in der Pandemie schon jetzt weit darüber und hat bereits 156 Milliarden Euro eingeplant.

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