Trumps Abzug: „Schuss ins eigene Knie“

von Redaktion

VON CAN MEREY, MICHAEL FISCHER UND RUPPERT MAYR

Washington – In Berlin hat man sich inzwischen an die Drohungen Donald Trumps gewöhnt. Der US-Präsident hat sich Deutschland als Lieblingsgegner unter den Nato-Verbündeten ausgesucht. Die Bundesregierung versucht, möglichst gelassen damit umzugehen. Aber was am Wochenende mehrere Medien berichteten, ist deutlich mehr als das übliche Deutschland-Bashing. Trump will offenbar in großem Stil US-Soldaten abziehen. Er geht ans Eingemachte der deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Nach übereinstimmenden US-Berichten will er die Truppenpräsenz hierzulande von derzeit 34 500 Soldaten um 9500 reduzieren. Dazu solle eine Obergrenze von 25 000 US-Soldaten in Deutschland eingeführt werden, schreibt das „Wall Street Journal“. Offiziell bestätigt ist der Abbau nicht. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats teilte nur mit, Trump überprüfe den Einsatz im Ausland stets.

Die „New York Times“ berichtete unter Berufung auf einen Regierungsmitarbeiter, ein Teil der 9500 Soldaten solle nach Polen geschickt werden, ein Teil in andere verbündete Länder und ein Teil solle in die USA zurückkehren. Trump hatte bereits im Juni 2019 eine Verlegung von Truppen nach Polen ins Spiel gebracht. Anlass war der Besuch des polnischen Präsidenten Andrzej Duda im Weißen Haus. Mit ihm versteht sich Trump deutlich besser als mit Angela Merkel (CDU).

Trump argumentierte in der Vergangenheit (sehr verkürzt), dass Deutschland Abermilliarden Euro für Gas an den „potenziellen Feind“ Russland zahlt, sich im Ernstfall aber von den USA beschützen lassen will – und gleichzeitig bei den Verteidigungsausgaben hinter den Nato-Verpflichtungen zurückbleibt. Polen lobt er dagegen für sein Budget.

Hauptstreitpunkt ist die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern soll. Washington ist strikt dagegen und hat bereits Sanktionen erlassen, die den Bau verzögern. US-Senatoren unternahmen erst vor wenigen Tagen einen Vorstoß, die Strafmaßnahmen noch zu verschärfen. Im Handelskonflikt mit der EU droht Trump immer wieder mit Strafzöllen für Autoimporte, was besonders deutsche Hersteller treffen würde. Auch beim Iran liegen die USA und Deutschland nicht auf einer Linie. Zuletzt dürfte sich Trump geärgert haben, dass Merkel seine Pläne für einen G7-Gipfel diesen Monat im Weißen Haus durchkreuzte.

Die Bundesregierung wurde von den Abzugs-Plänen kalt erwischt. Es sei „sehr irritierend, dass die Pläne nicht besprochen worden sind“, sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer. Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte, Trump breche aus Wahlkampfgründen „einen weiteren Stein aus der Mauer des transatlantischen Verhältnisses“. Trotzdem riet er zu Gelassenheit: Trump drohe letztlich damit, „sich selbst ins Knie zu schießen“, sagte Trittin im ZDF über die Bedeutung der deutschen Stützpunkte für die US-Interessen in Osteuropa, Nahost und Teilen Asiens. Auch Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Bundeswehr-Uni München, betonte, die betroffenen US-Truppen seien „nicht in Deutschland, um Deutschland zu verteidigen“. Ihre Aufgabengebiete seien vor allem die Projektion von Stärke im Nahen Osten und dem Baltikum.

Die US-Truppen galten in der Zeit des Kalten Krieges als Sicherheitsgarant für die Bundesrepublik. Die Stationierung ist aber auch heute noch ein wesentliches Bindeglied zwischen beiden Ländern. Für die Regionen um die US-Stützpunkte kommt der wirtschaftliche Aspekt hinzu. Das ist in Bayern unter anderem für Grafenwöhr (Oberpfalz) ein Argument, wo einer der größten Truppenübungsplätze Europas liegt.

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