Washington/Tulsa – Es sollte ein einzigartiges Jubelfest werden – mit hunderttausenden Anhängern, für die Präsident Donald Trump seine Rede angesichts einer erwarteten überfüllten Halle auch nach außen übertragen wollte. Doch am Ende wurde aus der großen Wahlkampf-Veranstaltung Trumps im Schatten der Corona-Krise in den USA ein Festival der leeren Ränge.
Im „BOK-Center“ in Tulsa (Bundesstaat Oklahoma) blieben fast die Hälfte der Plätze unbesetzt. Gut 10 000 Menschen, die meisten wie auch der Präsident ohne Schutzmaske, kamen am Ende für den Auftritt Trumps, der die Warnungen von Gesundheitsexperten ebenso ignorierte wie die fragwürdige Symbolik seiner Veranstaltung angesichts der anhaltenden Rassismus-Debatte in einer Stadt, in der einst ein weißer Mob hunderte Schwarze massakriert hatte.
Am Ende blieben vor allem Fragen. Lässt die Anziehungskraft des Präsidenten nach, dessen Zustimmungswerte mit unter 40 Prozent so tief wie nie liegen? Oder fürchteten die konservativen Fans eine Ansteckung mit dem Corona-Virus angesichts steigender Fall-Zahlen nicht nur in Oklahoma, sondern einem Dutzend weiterer Bundesstaaten? Immerhin waren auch sechs der in Tulsa anwesenden Mitarbeiter am Samstag mit dem Virus diagnostiziert worden. Oder gelang es tausenden von Teenagern, Trump durch eine Online-Kampagne auszumanövrieren, bei der die Jugendlichen fast eine Million Tickets bestellt haben sollen, nur um dann nicht zu erscheinen und für die unbesetzten Plätze zu sorgen?
Vermutlich war es eine Mischung aller dreier Faktoren, doch für Trump standen die Schuldigen schnell fest: Die „fake news“-Medien (Trump) mit Berichten über die Gesundheitsgefahren des Termins und jene „Extremisten“, die die Eingänge blockiert hätten. Doch die Kameraaufnahmen der TV-Sender zeigten, dass es keine Blockaden gab und sich die wenigen Demonstranten weitgehend zivil verhielten.
Wer sich die gut anderthalbstündige Rede des Präsidenten ersparte, verpasste nicht nur dessen übliche Anfeindungen gegen die Demokraten („Ein Sieg Bidens wird unser Land zerstören“) und jede Menge Eitelkeiten („Ich habe das schönste Haar und die schönsten Anwesen“). Auch Angela Merkel hatte die zweifelhafte Ehre, im Zusammenhang mit den von Trump immer wieder kritisierten Verteidigungsausgaben Berlins genannt zu werden.
Und die Beschwerden der „Black Lives Matter“-Bewegung versuchte der Präsident, mit einem einzigen Satz zu entwerten, ohne das Wort „Rassismus“ zu nennen: Er habe in vier Jahren mehr für die Afro-Amerikaner im Land getan als Biden in seinen 47 Jahren als Politiker und Volksvertreter. Dass nun der „ungezügelte linke Mob“ (Trump) die Geschichte des Landes revidieren wolle, sei skandalös. Auch das Thema Polizeigewalt und den Tod von George Floyd in Minneapolis benannte er nicht.
Eine der Aussagen, die den Präsidenten vermutlich noch länger verfolgen wird, war abseits der üblichen Polemik diese: Er habe seine Regierung angewiesen, die Tests für das „China-Virus“ (Trump), für das er auch den Namen „Kung Flu“ kenne, zurückzufahren. Die Tests seien ein „zweischneidiges Schwert“. Sein Motiv war, was er bereits in der Vergangenheit einmal angedeutet hatte: Je mehr positive Fallzahlen es gebe, umso schlechter stünden er und das Land mit derzeit fast 120 000 Toten da. Als Medienvertreter nachfragten, ob Trump dies tatsächlich ernst gemeint habe, hieß es im Weißen Haus: Der Präsident habe sich „offensichtlich“ einen Scherz erlaubt.