Das Schweigen zu schwarzer Gewalt

von Redaktion

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Es war eine Bilanz des Schreckens, die in den USA weitgehend unbeachtet blieb. Am Vatertags-Wochenende wurden in der Stadt Chicago 104 Menschen durch Schüsse verletzt, 14 von ihnen starben. Zu den Todesopfern zählen auch ein drei Jahre alter Junge und ein 13-jähriges Mädchen. So gut wie alle Bluttaten spielten sich im Süden und Westen der Stadt ab, in den von einem hohen Anteil an Minderheiten geprägten Vierteln. Die überwiegende Mehrheit der Opfer waren Afro-Amerikaner – ebenso wie die mutmaßlichen Täter, wenn denn eine Beschreibung vorlag.

Was war die Reaktion der „Black Lives Matter“-Bewegung (BLM), die nach dem Tod von George Floyd in Polizeigewahrsam zu landesweiten Protestmärschen aufgerufen hatte, was sogar in Europa Resonanz fand? Es gab keine. Für die farbigen Opfer von Chicago fanden keine Demonstrationen statt. Diese Nicht-Reaktion hat seit Jahren in der Stadt am Lake Michigan, aber auch anderen US-Metropolen mit hohem afro-amerikanischem Anteil wie Baltimore, St. Louis oder Newark Tradition. Dabei steht doch „Black Lives Matter“ nach Angaben der Gründer für eines: Die Bekräftigung, dass neben anderen Menschenleben auch die Leben von Schwarzen etwas wert sind. Allerdings zitieren die BLM-Aktivisten dieses Mantra nur immer dann, wenn umstrittene Tötungen von Schwarzen durch Polizisten stattgefunden haben – was dann wiederum zu enormen Emotionsausbrüchen führt.

Was aber verursacht die so enorme Wahrnehmungs-Lücke, was die Tötungen von Schwarzen durch Schwarze in den USA angeht? 90 Prozent aller Morde an Afro-Amerikanern werden durchschnittlich jedes Jahr durch Afro-Amerikaner begangen. 2018 fielen laut der FBI-Verbrechensstatistik rund 7500 Schwarze diesem anhaltenden Trend zum Opfer – was 52 Prozent aller Getöteten ausmacht, obwohl Afro-Amerikaner doch nur 13 Prozent der US-Bevölkerung stellen. Dies alles wird von „Black Lives Matter“ mit beharrlichem Schweigen bedacht. Stattdessen stehen immer wieder die Cops im Kampagnen-Fadenkreuz – was sogar in Forderungen mündete, den US-Polizeibehörden Gelder zu entziehen, sie ganz aufzulösen oder zu manchen Einsätzen unbewaffnete Sozialarbeiter zu schicken. Dabei dürfte eine Reduktion der Polizeikräfte es noch schwerer machen, gerade in jenen von hoher Kriminalität und Gang-Aktivitäten geprägten Vorstadt-Vierteln für Sicherheit zu sorgen, die überwiegend von Schwarzen und Latinos bewohnt werden.

In den USA wird gleichzeitig die von BLM verbreitete und von einem Großteil der Medien unreflektiert übernommene Prämisse, die Polizei töte aufgrund von Rassismus jede Menge Afro-Amerikaner, für bare Münze genommen. Dabei sprechen Datenbanken eine ganz andere Sprache. Einer Statistik der „Washington Post“ zufolge sterben jährlich rund 1000 Menschen in den USA durch Polizeigewalt, lediglich 250 von ihnen sind Schwarze. 90 bis 95 Prozent der Getöteten waren im Moment der Konfrontation zudem bewaffnet. Die restlichen fünf bis zehn Prozent – also maximal 25 Afro-Amerikaner – galten zwar als „unbewaffnet“. Doch erfasst werden in dieser Rubrik auch jene, die beispielsweise versuchten, einem Cop die Waffe zu entreißen. Oder die mit einem Fahrzeug auf Polizisten zurasten, um sich der Festnahme zu entziehen.

Die Kriminaliätsexpertin Heather McDonald stellte kürzlich im „Wall Street Journal“ fest, dass – gemessen am Bevölkerungsanteil – zwar Schwarze tatsächlich etwas häufiger als Weiße von US-Polizisten getötet werden. Doch das liegt laut McDonald an der höheren Verwicklung von Afro-Amerikanern in Morde und an häufigeren Polizei-Begegnungen.

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