Als im Oktober 2019 ein rechtsextremer Attentäter versuchte, in der Synagoge von Halle ein Blutbad anzurichten und auf offener Straße zwei Menschen erschoss, war die Situation auch in München äußerst angespannt. Nur zwei Ruhepole stachen in diesen schwierigen Stunden hervor: Zum einen der Oberbürgermeister, der noch am selben Nachmittag die Betenden in der Hauptsynagoge besuchte und betonte, der Schutz jüdischen Lebens habe weiterhin höchste Priorität. Und zum anderen die Münchner Polizei, die diesen Schutz durch eine verstärkte Präsenz rund um das Gemeindezentrum praktisch sicherstellte. In einem Telefonat wiederholte später auch der Münchner Polizeipräsident, was ich bereits wusste: Die Münchner Polizei würde eine Gefährdung der jüdischen Gemeinschaft nicht zulassen.
Das war nicht nur damals ein überaus wichtiges Signal. Auch wenn Herausforderungen bleiben, kann die jüdische Gemeinschaft in Deutschland sich des Schutzes durch eine schlagkräftige Polizei sicher sein – eine wesentliche Voraussetzung für das nötige Grundvertrauen in die eigene Zukunft in diesem Land.
All das bedarf wieder Erwähnung in einer Zeit, da die Polizei in der öffentlichen Debatte immer mehr zum Ziel heftiger und oft unfairer Kritik wird. Die nötige gesellschaftliche Kontrolle der Sicherheitskräfte hat zuletzt, aufgeheizt durch die Ereignisse rund um den gewaltsamen Tod von George Floyd, einer Polarisierung Platz gemacht, die zwischen Generalverdacht und Generalabsolution kaum noch Raum lässt. Viel zu leichtfertig übertragen Kritiker die Eckpunkte und vor allem die Schärfe der amerikanischen Diskussion auf eine Situation in Deutschland, die das bei allen realen Problemen in keiner Weise rechtfertigt.
Gipfel dieser Entwicklung war jüngst eine Zeitungskolumne, die Polizisten indirekt als „Abfall“ bezeichnete und für die die zuständige Chefredaktion sich zu Recht entschuldigt hat.
Nicht nur in der jüdischen Gemeinschaft stoßen solche Verbalexzesse auf wenig Gegenliebe. Die allermeisten Menschen in diesem Land, mich selbst ausdrücklich eingeschlossen, sind dankbar für die unermüdliche Arbeit der Polizeibeamten, die Tag und Nacht buchstäblich ihren Kopf hinhalten.
Wie immens die Belastungen für sie sind, haben die schockierenden Bilder aus Stuttgart erst am Wochenende wieder gezeigt. Die Männer und Frauen in Uniform haben unsere Wertschätzung verdient. Gerade die Mitte der Gesellschaft muss deutlich machen, dass sie die Leistungen der Polizei anerkennt, nicht zuletzt auch, um den permanenten Anbiederungsversuchen von Rechtsaußen etwas entgegensetzen zu können.
Eine kritische Begleitung der Polizeiarbeit bleibt somit zwar eine Notwendigkeit der Demokratie. Wer aber glaubt, Demokratie sei ganz ohne Polizei zu haben, der sitzt einem Irrtum auf, der große Teile unserer Gesellschaft gefährdet.
Charlotte Knobloch ist seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Von 2006 bis 2010 war die heute 87-Jährige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland.