München – Am Mittwochmorgen versucht sich Armin Laschet zu erklären. Der Ministerpräsident steht im Düsseldorfer Landtag. Ein Krisenmanager im persönlichen Krisenmodus. Laschet zählt auf, was er seit dem Coronaausbruch in den Tönnies-Schlachthöfen alles unternommen hat. Vorsorgliche Quarantäne, geschlossene Schulen, schnellere Tests. „Und wir sind jetzt das erste Land, das – obwohl es die Ergebnisse noch gar nicht hergeben – zurückführt.“ Der Lockdown ist zurück, zumindest in den Kreisen Gütersloh und Warendorf. Und Laschet will zeigen, dass er diesmal nicht der große Lockerer, sondern der Vorsichtige ist.
Ob sich diese Version durchsetzt? Das Geraune über den zaudernden Ministerpräsidenten nimmt zu, auch in der Union. „Sein Abwarten war nicht erklärlich“, sagt ein einflussreicher CSU-Abgeordneter aus dem Bundestag. Auch bei anderen wachsen Zweifel, ob das zu einem potenziellen Kanzlerkandidaten passe. Genau beobachtet wurde gestern deshalb der Auftritt von Gesundheitsminister Jens Spahn, der in der ARD eindringlich vor der Gefahr aus Gütersloh warnte. „Wir haben nach Heinsberg oder Mitterteich gesehen haben, wie schnell aus lokalen Geschehen dann ein bundesweites werden kann.“ Der Lockdown sei „zum Schutz der Bürger in den beiden Kreisen, aber auch zum Schutz aller im Bundesgebiet“. Das klang deutlich entschlossener als bei Laschet, mit dem Spahn ja eigentlich ein Tandem bildet. Mit Laschet als Chef.
Vordergründig dreht sich derzeit alles um die Corona-Gefahr, aber längst wächst sich das Krisenmanagement zum Eignungstest in der Kanzlerfrage aus. Wer hat das Zeug dazu, das Land zu führen? Der Krisengewinner heißt bislang Markus Söder, aber eigentlich will keiner der CDU-Funktionäre im nächsten Jahr der CSU die Kanzlerkandidatur überlassen. 1980 (Franz Josef Strauß) und 2002 (Edmund Stoiber) steckte die große Schwester in schweren Krisen. Aktuell aber hat das Corona-Krisenmanagement die CDU in Umfragen nach oben katapultiert. Die Aussicht, auch den nächsten Kanzler zu stellen, sind bestens. Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer dürfte längst bereuen, dass sie Anfang Februar wegen der heute fast vergessenen Querelen in Thüringen ihren Abschied verkündete. Vier Wochen später kam Corona.
Noch ist Zeit. Im Dezember bestimmt die CDU ihren Vorsitzenden. Und selbst CSU-Strategen gehen davon aus, dass der neue Chef mit dem Anspruch aus dem Parteitag geht, die Merkel-Nachfolge anzutreten. Doch das Rennen, das auf Laschet zuzulaufen schien, ist neu eröffnet.
In Berlin schimpft man darüber, dass Laschet derzeit kein Fettnäpfchen auslasse. Auch das Interview in den ARD-Tagesthemen am Dienstagabend wurde als unglücklich wahrgenommen. Mehrfach ließ der NRW-Ministerpräsident die Frage unbeantwortet, warum er den Lockdown in Gütersloh nicht früher verkündet habe. In den Umfragen in seinem Bundesland ist Laschet zuletzt eingebrochen.
Zugleich gibt es weiter Zweifel, ob Friedrich Merz der richtige Mann ist, um Deutschland in die neue Zeit nach Corona zu führen. „Wenn im Herbst der Fokus mehr auf den wirtschaftlichen Problemen liegt, könnten seine Aktien wieder steigen“, sagt einer der Unionsvordenker. Merz, ohne Regierungsamt derzeit deutlich im Nachteil, spielt deshalb auf Zeit und umwirbt mit seinen Interviews vor allem die CDU-Funktionärsebene. Doch nicht alle sind überzeugt, ob er auch die Basis erreicht.
Immer wieder fällt deshalb ein anderer Name: Jens Spahn. Ende Februar schienen die Umfragen für den Gesundheitsminister völlig aussichtslos, weshalb er ein Bündnis mit Laschet einging. Beide zusammen schienen alle Flügel der CDU abzudecken. Merz lästerte bereits über eine „Art Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs“. Es wirkte wie ein cleverer Zug, den liberalen Laschet bis ins Kanzleramt zu spülen und dem konservativen Spahn zumindest den Fraktionsvorsitz zu sichern. Inzwischen aber häufen sich die Fragen, ob das Bündnis überhaupt bis zum Parteitag im Dezember hält.
Von sich aus kann Spahn es nicht kündigen. Aber er kann gerufen werden. Unionsstrategen blicken schon mit Sorge auf das Sommerloch. Der CDU-Vorsitz könnte eines der heißen Themen im Juli und August. Mit vielen großen Interviews – und vielen aufgestellten Fettnäpfchen.