Berlin – Der Corona-Ausbruch in Rheda-Wiedenbrück hat die bundesweiten Infektionszahlen nach oben getrieben. Allein im Kreis Gütersloh gibt es laut Robert-Koch-Institut (RKI) aktuell 1879 Infektionen. Gegenüber dem Vortag war das eine Steigerung von mehr als 300. Zum Vergleich: Im gesamten Bundesgebiet verzeichnete das RKI bis zum frühen Abend 587 neue Fälle.
In den Kreisen Gütersloh und Warendorf wird der von Bund und Ländern vereinbarte Grenzwert von 50 Neuinfektionen binnen einer Woche je 100 000 Einwohner klar überschritten. Seit Mitternacht gelten in beiden Kreisen für eine Woche massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens.
In Berlin kamen über Nacht 59 neue Fälle hinzu. Damit lag die Reproduktionszahl (R-Wert) bei 1,96 und zum dritten Mal in Folge bei einem Wert von 1,2 oder höher. Die Zahl gibt die Dynamik des Infektionsgeschehens an – und in den vergangenen beiden Wochen war ein deutlicher Anstieg der Neuinfektionen beobachtet worden. In ganz Deutschland lag die Reproduktionszahl nach RKI-Schätzungen gestern bei 0,76 und damit erheblich unter dem Wert des Vortages von 2,02.
Das Geschehen im Kreis Gütersloh zieht unterdessen immer weitere Kreise. Gestern wurde bekannt, dass eine Reisegruppe aus Gütersloh von einem Hotel im Ostseebad Kühlungsborn in Mecklenburg-Vorpommern zurückgewiesen wurde. Wie ein Sprecher des Landkreises Rostock mitteilte, war die Gruppe am Sonntag angereist. Das Hotel habe das Gesundheitsamt informiert, da bei der Anreise nicht sicher feststand, ob Gütersloh bereits ein Risikogebiet war. Die Behörde riet, die etwa 40 Reisenden zurückzuschicken.
Auch Österreich reagierte gestern auf die Ereignisse im Kreis Gütersloh. Die Regierung in Wien sprach eine „partielle Reisewarnung“ für Nordrhein-Westfalen aus, obendrein gibt es Überlegungen für ein Landeverbot für Maschinen aus NRW. Bei Touristen aus der Krisenregion, die ihren Urlaub in Österreich verbringen, appellierte Innenminister Karl Nehammer an die „Eigenverantwortung“, sich bei gesundheitlichen Beschwerden an die Behörden zu wenden und die Öffentlichkeit zu meiden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kritisierte die Entscheidung. Er bat Nehammer, sie zu überdenken, und schlug vor, solche Reisewarnungen auf „regionale Hotspots“ zu beschränken.
Auch Niedersachsen hat derweil ein neues Problem mit einem Schlachtbetrieb: Dort wurden nach dem Start eines Corona-Massentests unter Mitarbeitern einer Putenschlachterei des Wiesenhof-Konzerns in Wildeshausen bereits 35 Infizierte ausfindig gemacht. Bei einer Dönerfleischproduktion in Moers bei Duisburg wurden 17 Personen positiv getestet.
Von Expertenseite wird der Lockdown in den Kreisen Gütersloh und Warendorf begrüßt. „Man muss kein großer Prophet sein, um zu sehen, dass es diese Maßnahmen braucht, um dem Virus wieder Einhalt zu gebieten“, sagte Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. Der Virologe Christian Drosten befürchtet angesichts der jüngsten Ausbrüche eine unbemerkte Ausbreitung des Coronavirus in der Bevölkerung. Die Verbreitung über die jeweilige Gegend hinaus zu verhindern, sei jetzt das Entscheidende, sagte er.