Berlin – Die neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), hat eine neue Debatte über die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht ausgelöst. „Ich halte es für einen Riesenfehler, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde“, sagte sie der „Funke“-Mediengruppe. Eine allgemeine Wehrpflicht könne die Ausbreitung von Rechtsextremismus in der Truppe erschweren. Ihr Vorschlag löste Widerspruch aus. Eine Wehrpflicht könne das Problem mit Rechtsextremismus in Teilen der Bundeswehr nicht lösen, sagten Vertreter der Union und der Opposition im Bundestag.
Der stellvertretende CSU-Generalsekretär Florian Hahn bezeichnete Högls Vorschlag gegenüber unserer Zeitung als „absurd“. Neben offenen rechtlichen Fragen sieht Hahn auch die „Verhältnismäßigkeit von Maß und Ziel nicht gewahrt“. Es zeige sich, „dass die Wehrbeauftragte noch wenig Ahnung von der Bundeswehr hat“, sagte Hahn weiter.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kündigte die Einführung eines neuen Freiwilligendienstes „Dein Jahr für Deutschland“ 2021 an. Statt über die Wehrpflicht für junge Menschen nachzudenken, will sie über eine allgemeine Dienstpflicht diskutieren – eine Art soziales Jahr, das junge Menschen nach ihrer Ausbildung in Organisationen absolvieren können, die dem Gemeinwohl dienen.
Oppositionspolitiker bezweifeln, dass eine Wehrpflicht etwas an dem Problem mit Rechtsextremismus in der Truppe ändere. „Geschätzte 700 000 junge Menschen nach ihrem Schulabschluss lösen nicht das Problem des Militärischen Abschirmdienstes und der Bundeswehr“, kritisierte FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae. In der vergangenen Woche hatte Kramp-Karrenbauer die zweite Kompanie im Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw aufgelöst, nachdem es dort mehrfach zu extremistischen Vorfällen gekommen war.
Auch der Grünen-Sprecher für Sicherheitspolitik, Tobias Lindner, lehnte Högls Vorstoß ab. „Die Wehrpflicht würde der Bundeswehr sicherheitspolitisch keinen Vorteil bringen, sondern lediglich massive personelle und finanzielle Ressourcen verschlingen.“ Er forderte stattdessen eine angemessene Bezahlung und Ausrüstung für die Soldaten. Es brauche eine verantwortungsvolle Rekrutierungspraxis und eine zeitgemäße politische Bildung der Truppe.
Auch der CDU-Politiker Friedrich Merz sagte, die Bekämpfung des Rechtsradikalismus reiche als Begründung für die Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht aus. Man könne aber darüber oder über eine allgemeine Dienstpflicht diskutieren.
Die Freien Wähler in Bayern forderten ein „Soziales Jahr für alle“, das besser bezahlt werde als bisher, auch mit Rentenpunkten und Studienplatz-Bonus.
Details zu den Plänen von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer für den Freiwilligendienst bei der Bundeswehr sollen Ende Juli vorgestellt werden, teilte eine Sprecherin mit. Der Dienst soll ein Jahr dauern. Sechs Monate erhalten die Freiwilligen eine Grundausbildung, sechs weitere Monate könnten sie dann heimatnah eingesetzt werden.
Der evangelische Militärbischof, Sigurd Rink, sagte, sowohl die Verteidigungsministerin als auch die Wehrbeauftragte hätten erkannt, dass man Tendenzen der Abkapselung und Absonderung in der Bundeswehr entgegenwirken müsse. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht habe man sich relativ weit von der Intention des „Staatsbürgers in Uniform“ entfernt, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sei. hor/epd