„Ein neuer Freiwilligendienst ist nur eine Nebelkerze“

von Redaktion

Die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann lehnt eine allgemeine Dienstpflicht strikt ab

Berlin – Als Ergänzung zum freiwilligen Wehrdienst plant Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) einen neuen Dienst, bei dem Jugendliche in ihrer Heimat eine sechsmonatige militärische Grundausbildung absolvieren und anschließend für ein weiteres halbes Jahr heimatnah Reservedienst leisten. Die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann glaubt aber, dass die Ministerin etwas ganz anderes plant.

Frau Strack-Zimmermann, was stört Sie an dem Vorstoß der Ministerin?

Das ist keine gute Idee, denn freiwillig können junge Manschen ja jetzt schon in der Bundeswehr dienen. Wozu da noch eine neue Variante? Schlagkräftiger wird die Truppe dadurch jedenfalls nicht. Auch ein freiwilliges soziales Jahr etwa bei der Caritas oder dem Deutschen Roten Kreuz ist heute schon möglich. Kramp-Karrenbauer will etwas ganz anderes.

Und was?

Die Idee für einen neuen Freiwilligendienst ist nur eine Nebelkerze, denn das eigentliche Ziel der Verteidigungsministerin ist die Einführung eines allgemeinen Pflichtjahrs, eines verpflichtenden Dienstjahres an der Gesellschaft. Das lehnen die Liberalen ab. Dafür müsste übrigens das Grundgesetz geändert werden. Man kann junge Leute heute nicht verpflichten, einen Dienst im militärischen oder sozialen Bereich zu tun und ihre Lebenszeit bestimmen. In der Bundeswehr liefe es zudem auf einen verpflichtenden Dienst für Frauen hinaus.

Aber was ist daran so schlecht? AKK will nach eigenen Worten den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Selbst SPD-Chefin Esken kann sich dafür erwärmen.

Der Verteidigungsministerin in ihrer Argumentation zu folgen, hieße diejenigen, die diesen Dienst nicht leisten wollen, zu unterstellen, dass sie unloyal gegenüber unserer Gesellschaft sind. Dem widerspreche ich vehement. Ich kenne viele junge Menschen, die sich nach ihrem Schulabschluss sozial engagieren oder dieses vor ihrer Ausbildung eines sozialen Berufs tun. Über den gesellschaftlichen Zusammenhalt muss man diskutieren, aber eine Art verpflichtende Freiwilligkeit wird es mit den Liberalen nicht geben.

Die ganze Debatte ist ja auch im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Tendenzen und einer Wiederbelebung der Wehrpflicht aufgekommen…

Das eine hat mit dem anderen wirklich nichts zu tun. Ich erinnere an einen Untersuchungsausschuss, der bereits vor 20 Jahren rechtsradikale Tendenzen in der Bundeswehr zum Thema hatte. Im Abschlussbericht dieses Gremiums kann man nachlesen, dass seinerzeit 95 Prozent der rechtsradikal auffälligen Menschen in der Truppe Grundwehrdienstleistende waren und nur ein Bruchteil Berufssoldaten beziehungsweise Zivilangestellte. Die Wehrpflicht ist also mitnichten ein Garant für die Armee, diese vor Rechtsextremen zu schützen. Solches Gedankengut muss konsequent bekämpft werden, auch um zu verhindern, dass nicht die gesamte Truppe unter Generalverdacht gerät.

Die Bundeswehr leidet unter Nachwuchsproblemen. Könnte da auch ein stärker ausgebauter Freiwilligendienst für Abhilfe sorgen?

Die Bundeswehr ist erst dann ein attraktiver Arbeitgeber, wenn sie einsatzbereit ist. Was nützt es, wenn jemand zur Luftwaffe will, aber dann feststellt, dass Hubschrauber nicht fliegen und sogar Ausbilder die Einheit verlassen, weil sie Gefahr laufen, deshalb ihre eigene Fluglizenz zu verlieren? Solange es viele solcher Beispiele gibt, wird uns das Problem des mangelnden Nachwuchses leider erhalten bleiben.

Interview: Stefan Vetter

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