München – Man ist es allmählich gewöhnt, dass in Bayern die Figur im Mittelpunkt ein weiß-blaues Stück Stoff mit Rautenmuster trägt. Diesmal kommt allerdings ein sehr niedliches Lächeln dazu und das Wedeln mit dem buschigen Schwanz. Ein fröhlicher Löwe im Rautenkleid und mit wallender Mähne ist Maskottchen und Logo einer neuen Corona-Studie in Bayern. „Covid kids bavaria“ soll flächendeckend in Bayern eine der akutesten Gefahren untersuchen: Was droht nach der Total-Öffnung von Schulen und Kindergärten im Herbst?
Der Herr des Löwen ist in diesem Fall Christoph Klein, Professor und Direktor der Kinderklinik im Haunerschen Kinderspital. „Wir vermuten, dass Kinder nicht die Hotspots der Verbreitung sind“, sagt er – „aber wir wissen es nicht.“ Als Studienleiter hat Klein nun sechs Monate Zeit und eine Million Euro bekommen, um diese Frage zu klären, die seit Wochen die ganze Republik umtreibt.
„Covid kids bavaria“ läuft bayernweit, alle sechs Universitätsklinika machen mit. In jedem der 46 Bundeswahlkreise wurden eine Kinderkrippe, ein Kindergarten und eine Grundschule ausgesucht, um dort 12 000 Reihentests zu starten. Kinder, Erzieher und Lehrer sollen bis Jahresende vier Mal auf eine akute Infektion getestet werden, dann einen Antikörpertest durchlaufen, parallel sollen sie Fragebögen ausfüllen. All das freiwillig. Ziel ist, am Ende mehr über Infektionsgefahr für und durch Kinder im Regelbetrieb zu wissen, aber auch über psychologische Risiken der Schließungen.
Bisher ist all das ein blinder Fleck. Eine Studie in Baden-Württemberg gab jüngst den Hinweis, Kinder seien weniger stark und weniger schwer betroffen. Eine weitere Studie in Hessen läuft noch. Der Virologe Christian Drosten warnt hingegen, er glaube, dass Kinder das Virus ähnlich verbreiten wie Erwachsene. Bei dieser Wackel-Lage blieb die Politik vorsichtig und erinnerte sich an die Erkältungswellen, die unaufhaltsam von den Kindergärten in die Familien schwappen. Die Kinderbetreuung wurde mit als Erstes und am radikalsten geschlossen.
Gleichzeitig sind diese Schließungen für Familien aber die größte Einschränkung – zahllose Wochen Heimarbeit und Homeschooling sind im Alltag halt doch einschneidender als eine geschlossene Kneipe. Der Druck aus der Opposition – auch von den sonst sehr vorsichtigen Grünen – der Wirtschaft und von einigen Eltern nahm deshalb zu, im Herbst wieder zu öffnen; in Bayern langsamer als im Rest der Republik. Ab Herbst starten Schulen wieder mit voller Besetzung, seit Juli die Kinderbetreuung.
Wer Markus Söder in diesen Tagen erlebt, spürt: Ihm ist nicht sehr wohl mit Blick auf den Herbst. Er fürchtete eine zweite Welle – Wetter, Reisen, Sorglosigkeit. „Wir hoffen, dass wir im Herbst keine ganz großen Probleme bekommen. Die wichtigste Frage ist: Wie kommen wir aus dem Urlaub zurück“, sagt Söder bei der Vorstellung der Studie. „Wir gehen keine Experimente ein“, erklärt er zwar – betont dann allerdings, bei Infektionen etwa an Schulen werde sofort mindestens klassenweise auf Zeit geschlossen. Er kündigt für September erst die endgültige Entscheidung an, wie es an den Schulen weitergeht.
Bayern hat nun zwei kleine Vorteile: Die anderen Länder öffnen ihre Schulen viel früher, weil dort spätestens im August die Ferien enden. Falls die Infektionszahlen nach oben schießen, hat Bayern wenige Wochen mehr Zeit zum Umdenken. Und nun eben die Löwen-Studie, auf deren Zwischenergebnisse auch die Politik hofft. Spät zwar, aber dafür stabil, sagt Professor Klein: „Lieber gründlich, als ein Schnellschuss, mit dem man viel Geld in den Sand setzt.“