München – Für den ersten Aufschlag hatte sich Markus Söder ein eher spezielles Umfeld ausgesucht. Auf dem Polit-Aschermittwoch in Passau, wo das Stammpublikum nach Polemik und Gepolter lechzt, redete der Ministerpräsident plötzlich über Sonnenschein und Nachhaltigkeit. Er versprach, mehr bei der Photovoltaik zu tun, die Deckelung aufzuheben und die Grünen sogar zu überholen. Kein Gemurre in der Halle, wohlwollende Reaktionen – nach dem ersten Testlauf bei den CSU-Ultras im Februar nehmen Söders Pläne jetzt genauere Konturen an.
Offenbar ist der Staatsregierung ernst damit. Andernfalls hätte sie die Solar-Pläne in den Wirren der Corona-Krise leise in der Schublade verschwinden lassen können. Nun wird das Ausbau-Konzept forciert. Vor Kurzem hat das Kabinett eine Ausweitung der Solaranlagen beschlossen. Seit Juli liegt die jährliche Höchstgrenze für neue Großanlagen bei 200. Dabei geht es um Solarparks auf Äckern und Grünland. Das Limit in Bayern lag erst bei 30, dann bei 70, mit den 200 übertraf Söder wie in Passau angekündigt die Ziele der Grünen.
Parallel zu den Feldern sind nun die Dächer dran. Die Ministerien für Bau, Wirtschaft und Finanzen erarbeiten auf Söders Kommando gerade ein Konzept für mehr Anlagen. Bisher versucht der Staat, beispielhaft voranzugehen. 340 staatliche Dächer sind dabei. Symbolwert mag haben, dass Söders Staatskanzlei darunter ist – doch viel ist das nicht, immerhin gilt die Soll-Vorgabe schon seit 1995.
Jetzt kommt deshalb ein für die CSU ungewöhnlicher Vorstoß: Söder will eine Pflicht, jeden Neubau mit Photovoltaik auszurüsten. Er plant in zwei Stufen, erst für gewerbliche und dann private Neubauten die Anlagen vorzuschreiben. „Bayern macht Ernst mit Erneuerbaren Energien“, sagt Söder.
Die Häuslebauer sollen mit Förderprogrammen begleitet werden, um das Bauen nicht teurer und unattraktiver zu machen. Es geht ja um hohe vierstellige Summen, mindestens: Rund 7600 Euro koste eine Vier-Kilowatt-Anlage, ermittelte jüngst die Verbraucherzentrale NRW. Eine Dachanlage mit acht Kilowatt Leistung liegt bei 13 000 Euro. Erleichternd wirkt dabei, dass im Bund in diesen Tagen der Förderdeckel fällt, neue Solaranlagen werden also auch in Zukunft über die Ökostrom-Umlage gefördert.
2022 könnte Söders Vorgabe greifen. Welchen Weg er formal wählt, ist noch offen. Möglich wäre ein Einbau in Bayerns Klimaschutzgesetz, der Landtag soll es nach einer Expertenanhörung gegen Jahresende beschließen. Baden-Württembergs grün-schwarze Landesregierung nimmt den Pfad über ihr Klimaschutzgesetz. Hier wird ab 2022 eine Photovoltaik-Anlage auf jedem Neubau vorgeschrieben. Nach Protesten der CDU wurden Wohnhäuser davon ausgenommen, gemischte Bauten über fünf Prozent Wohn-Anteil auch. Dafür gibt es künftig auch eine Solaranlagen-Pflicht auf größeren Parkplätzen.
Söder will die Südwest-Pläne für Bayern adaptieren – inklusive Wohnhäuser. Vermutlich folgen weitere Länder, auch in Rheinland-Pfalz ist eine Debatte auf Druck der Grünen angelaufen. Architektonisch wird das freilich noch spannend: Langweilige Solarpanele auf Metallständern sollen nicht die Ortsbilder dominieren. Unter anderem die Schweiz ist da schon weiter, die Anlagen in die Bau-Ästhetik zu integrieren.
Tatsächlich geht es bei den Dächern nicht um Symbolik und um grüne Tupfer bei der Energiepolitik – sondern um große Strommengen. 2018 steuerte der Solarstrom knapp 16 Prozent zur Brutto-erzeugung bei. Etwa drei Viertel kommen aus Dachanlagen, ein Viertel von Freiflächen. Rechnerisch ließe sich der Stromverbrauch von München, Augsburg und Ingolstadt damit decken.
Der Fokus bleibt bei den Erneuerbaren in Bayern damit klar auf der Sonne. Bei der Windenergie hält Söder an der zurückhaltenden Linie und der bundesweit umstrittenen 10H-Abstandsregel fest – wie ebenfalls schon in Passau lautstark verkündet.