Der Landtag macht widerwillig Sommerpause

von Redaktion

Corona-Beschlüsse, Streit um Mitsprache und AfD-Eklats: Unruhe und giftige Töne im Parlament

München – Früher gab es an dieser Stelle launige Sprüche. Mit humorvollen Reden hat der Landtag immer Mitte Juli offiziell seine Arbeit beendet und die Sommerpause eingeleitet. Die Abgeordneten erteilten sich lustige Lektüretipps für den Urlaub am Strand. Heuer: kein Strand, kaum Spaß, nur Ernst. In angespannter Stimmung, nach Eklats und schwer unter dem Eindruck der Corona-Pandemie, vertagt sich das Plenum auf 23. September.

„Hinter uns liegt ein Halbjahr, wie es in der Geschichte unseres Parlamentes, unseres Freistaats ohne Beispiel ist“, sagt Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) in ihren leisen Schlussworten. Es sei darum gegangen, „Schlimmstes abzuwenden“. Aigner verteidigt Inhalt und Tempo der Staatsregierung bei den Corona-Eil-Maßnahmen seit März. Staaten, in denen Populisten und Ignoranten regierten, schlitterten „von der Krise in die Katastrophe“. Sie deutet aber erneut an, dass das Parlament ab spätestens sofort mehr Einbindung verlangt. Sie rate dringend zu großem Selbstbewusstsein, sagt sie.

Auf Aigner selbst darf das zutreffen. Ihr zollt auch die Opposition Respekt für ihre Rolle. Doch die Arbeit im Landtag leidet schwer. Noch immer ist nur ein Fünftel der Abgeordneten anwesend, weil nicht alle mit Abstandsregeln in die Säle passen. Jetzt Sitzungs-Pause zu haben, wo eine zweite Pandemie-Welle droht und eine gewaltige Wirtschaftskrise einsetzt, ist vielen Abgeordneten nicht geheuer. Dazu kommt: Die Stimmung ist vergiftet, gerade in und mit der AfD. Die Fraktion ist irreparabel zerstritten, durchlebte Putschversuche. Gleichzeitig suchen die AfD-Abgeordneten immer wieder den Eklat – zuletzt am Dienstag, als einer mit Gasmaske ans Pult trat, um die Maskenpflicht zu verspotten. Aigner nutzt ihre Schluss-Rede auch, um ihn aufs Schärfste zu tadeln. „Ein fach nur peinlich“ sei das.

Ministerpräsident Markus Söder hatte in seinen Schlussworten 2019 der AfD noch zugerufen: „Geht in euch“. Diesmal verlangt er einen ernsteren Stil. Er appelliert an das ganze Parlament, die Gefahr einer zweiten Welle zu sehen. „Ich wünsche Ihnen keine schönen Ferien“, sagt er, und die Abgeordneten zucken – die Lage bleibe „hochgefährlich, wir müssen geistig auf Stand-by bleiben“. Söder deutet an, den Landtag zu Sonder-Krisensitzungen aus dem Urlaub holen zu müssen. Die Bayern bittet er, die Lage auch medizinisch hinterher nicht kleinzureden. „Wir waren knapp an der Überlastungsgrenze.“ Er erinnert an die Bilder der Kühlwagen auf den Straßen New Yorks, die Leichen lagerten.

Für die Opposition spricht Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Auch er ungewöhnlich: Er dankt Söder für seine Umsicht in der Krise und lässt Kritik etwa an den Schul- und Kitaschließungen nur vorsichtig anklingen.

An seinem letzten Tag ist der Landtag aber auch noch mal in all seinen Schattierungen zu erleben. Fast eine quälende halbe Stunde lang debattiert das Parlament zuvor einen AfD-Antrag gegen Gender-Sprache. „Kulturmord und Gehirnwäsche“ sei die Gender-Ideologie, verkündet eine AfD-Rednerin, es gehe in Wahrheit um „die Abschaffung der Familie“. Alle anderen Fraktionen antworten emsig, die Grünen mit einem Plädoyer für Gendern und eine nicht-binäre Sichtweise auf alle Geschlechter. FDP-Fraktionschef Martin Hagen stellt da die Frage in den Raum, „ob Sie in diesem Parlament keine größeren Sorgen haben“.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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