Merkel: „Wir brauchen eine wuchtige Antwort“

von Redaktion

In Berlin geht das Ringen um Europas Wiederaufbau-Fonds weiter – Conte: Schnell handeln

Meeseberg – Es wimmelt vor Schlösser-Terminen im Tagesplan der Kanzlerin. Heute trifft Angela Merkel im Neuen Schloss Herrenchiemsee auf Bayerns Staatsregierung, ein Termin mit viel Prunk, mit Schiff- und Kutschfahrt. Gestern war Merkel noch bis zum frühen Abend auf Schloss Meeseberg nördlich von Berlin. Dort kam sie in ebenfalls edlem Ambiente mit Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zusammen. Übergreifendes Thema in beiden Schlössern: Europa.

Es geht vor allem um die deutsche Ratspräsidentschaft in der EU und um den ehrgeizigen Plan, den Kontinent vor der schlimmsten Corona-Wirtschaftskrise zu bewahren. Merkel fordert besondere Anstrengungen für einen Finanzpakt zum Wiederaufbau nach der Krise. Der geplante Wiederaufbaufonds müsse etwas Wuchtiges sein, und es sei wichtig, dass dieser nicht verzwergt werde, sagte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Conte. „Ich weiß nicht, ob wir zu einer Einigung kommen“, warnte sie aber. „Es ist noch nichts sicher. Die Wege sind noch weit, die zu gehen sind.“ Merkel fügte hinzu: „Die Aufgabe ist riesig, und deswegen muss die Antwort auch groß sein.“ An die Adresse der Bundesbürger sagte sie, Deutschland habe wie andere Staaten ein Interesse an einem gut funktionierenden Binnenmarkt in der Union.

Von den 750 Milliarden Euro des schuldenfinanzierten Wiederaufbauplans sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission 500 Milliarden als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite vergeben werden. Die EU hatte unter anderem konkrete Pläne zur Rückzahlung der vorgesehenen EU-Schulden vorgelegt – etwa mit einer Plastikabgabe ab 2021. Darüber wird in Europa aber gestritten. Die Niederlande gehören mit Österreich, Dänemark und Schweden zu den sogenannten „Sparsamen Vier“, die nicht rückzahlbare Milliardenzuwendungen ablehnen.

Bei dem Treffen Merkels mit Conte dürfte es auch um den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gehen. Bis zu 36 Milliarden Euro an günstigen Krediten könnte das von der Corona-Krise gebeutelte und hoch verschuldete Italien bekommen. Ob das Land Kreditlinien des ESM in Anspruch nehmen soll, darüber streiten Politiker in Italien seit Wochen. Contes Koalition aus Sozialdemokraten und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung ist zerstritten. Vor allem oppositionelle Rechtsparteien wie die Lega machen Stimmung gegen Europa.

Conte forderte in Berlin eine rasche Einigung der EU über einen Wiederaufbauplan. Je langsamer man reagiere, umso langsamer werde die Erholung vonstatten gehen, sagte er. „Wir müssen schnell handeln, schnell reagieren, denn die Geschichte lehrt uns, die beste Reaktion ist nicht so viel wert, wenn sie zu langsam kommt.“

Europa müsse seine Stimme gut zu Gehör bringen, sagte Conte: „Wenn wir die Krise einfach so laufen lassen würden, dann hätten wir innerhalb kürzester Zeit eine Zerstörung des Binnenmarktes.“ Die Fragmentierung wäre die logische Konsequenz. „Und das kann in niemandes Interesse sein.“

Die Europa-Serie geht für Merkel nun weiter. Von Herrenchiemsee fliegt sie heute am frühen Abend zurück nach Berlin, trifft dort auf den spanischen Regierungschef Pedro Sánchez – diesmal nicht im Schloss, sondern im Kanzleramt. Am Freitag und Samstag steht dann der EU-Gipfel in Brüssel an.  dpa/mm

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