Wiesbaden – Mehrere Frauen bekommen rechtsextreme Drohschreiben. Sie sind unterschiedliche Persönlichkeiten, eine Anwältin, eine Kabarettistin sowie Politikerinnen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie selbstbewusst, emanzipiert und meinungsstark auftreten – und damit ins Feindbild von Rechtsextremisten zu passen scheinen. Ihr Fall wirft ein Schlaglicht auf einen in der Öffentlichkeit kaum beachteten Aspekt von Rechtsaußen.
„Es gibt in der rechtspopulistischen und rechtsextremen Wahrnehmung einen Grundfeind neben der liberalen Demokratie – und das ist die Frauenbewegung, die Frauenemanzipation“, sagt der Kasseler Politologe Wolfgang Schroeder. „Diese wird von vorneherein als Provokation erachtet.“ Die Ablehnung von Emanzipation im rechten Spektrum sei nicht neu, aber: „In der öffentlichen Wahrnehmung wird der Rechtsextremismus und -populismus sehr stark verkürzt auf Rassismus und anti-elitäre Positionen.“
Doch dazu kann auch ein traditionelles Rollenverständnis von Mann und Frau gehören oder die Vorstellung „natürlicher“ Unterschiede zwischen den Geschlechtern. „Der Antifeminismus, der oft einhergeht mit einem Frauenhass, ist Teil des rechtsextremen Weltbildes, auch wenn wir das sehr selten im öffentlichen Fokus haben“, erläutert die Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth. „Daher wundert mich nicht, dass gerade Frauen die Drohschreiben bekommen haben.“
Mittlerweile geht es um eine Serie von Bedrohungen. Die Mails, teils mit „NSU 2.0“ (NSU für „Nationalsozialistischer Untergrund“) unterschrieben, beschäftigen die Staatsanwaltschaft Frankfurt. Bereits seit 2018 bekannt ist der Fall der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz. Zuletzt wurden Schreiben an mehrere Linken-Politikerinnen publik, darunter an die hessische Landtagsfraktionschefin Janine Wissler sowie an die Kabarettistin Idil Baydar. Bei drei Fällen wurden persönliche Daten der Frauen von hessischen Polizeicomputern abgefragt.
Es gibt keine genauen Zahlen dazu, wie oft Frauen Opfer von rechtsextremer Bedrohung werden. „Fest steht allerdings, dass das Dunkelfeld enorm ist. Nur ein Bruchteil der Fälle erreicht das Licht der Öffentlichkeit“, sagt Franziska Schindler, Sprecherin der Amadeu Antonio Stiftung, die sich unter anderem für Opfer rechtsextremer Gewalt einsetzt. „Dabei geht es nicht nur um Hassmails und Faxe, wie durch den NSU 2.0 versendet. Hinzu kommen unzählige Mord- und Gewaltandrohungen, die Frauen in den sozialen Netzwerken entgegenschlagen, wenn sie mit ihren Positionierungen nicht in das Weltbild der Rechtsextremen passen.“
Den Geschlechter-Aspekt bei dem Thema einzubeziehen sei wichtig, sagt Manjana Sold vom Leibniz-Institut „Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung“. Allerdings dürfe der Fokus nicht zu stark allein darauf gerichtet werden. Es gebe vermutlich über das Geschlecht hinaus weitere Motive wie beispielsweise die vermeintliche Herkunft oder Religionszugehörigkeit, sagt Sold.
Derweil gibt es weitere Drohschreiben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Frankfurt vom Donnerstag sind erneut mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Mails eingegangen, darunter an die Redaktion der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“.
Politologe Schroeder sieht eine „gewisse Systematik“: Das Vorgehen habe „den Charakter einer systematischen Einschüchterungskampagne, die den entschiedenen Widerstand des Rechtsstaates und der liberalen Zivilgesellschaft verlangt“. CAROLINE ECKENFELS