München – Am passenden Superlativ hat es nicht gemangelt, als die deutsche Corona-Warn-App im Juni an den Start ging. Sie sei vielleicht nicht die erste ihrer Art, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun damals, „aber ich bin ziemlich überzeugt, es ist die beste“. Tatsächlich ist die Akzeptanz in der Bevölkerung hoch, bisher wurde die Anwendung rund 16,2 Millionen Mal heruntergeladen, und es gab kaum Grund zur Klage. Umso unangenehmer ist ein technisches Defizit, das die „Bild“ öffentlich machte. Unter bestimmten Voraussetzungen versäumte es die Warn-App, den Nutzer vor einer drohenden Infektion zu warnen.
Konkret bestand das Problem bis vor Kurzem darin, dass sich die Anwendung auf bestimmten Geräten mit dem Betriebssystem Android nicht automatisch im Hintergrund aktualisierte. Dies war immer dann der Fall, wenn die App nicht geöffnet war und das Smartphone aus Gründen des Energiesparens verhinderte, sie im Hintergrund laufen zu lassen. Dies galt etwa für Geräte der Hersteller Samsung und Huawei. Da es sich um sehr verbreitete Marken handelt, dürfte die Zahl der betroffenen Mobiltelefone im siebenstelligen Bereich liegen. Laut dem Marktforschungsunternehmen Kantar hatte Android im Juni in Deutschland einen Marktanteil über 73 Prozent. Das Portal „tagesschau.de“ meldete am Freitagabend zudem, es gebe ähnliche Probleme auch auf iPhones.
Dass allerdings wirklich „Millionen“ von App-Nutzern nicht oder zu spät vor einer drohenden Infektion gewarnt wurden, wie die „Bild“ andeutete, ist keineswegs gesagt. Das Gesundheitsministerium versicherte am Freitag, die App habe „zu jeder Zeit“ funktioniert. Auch ein Sprecher des Unternehmens SAP, das an der Entwicklung beteiligt war, betonte: „Es ist keine Fehlfunktion in der App.“ Tatsächlich hielt sich die Einschränkung für Nutzer in Grenzen, sofern sie regelmäßig, zum Beispiel einmal pro Tag, die Anwendung öffneten, weil dadurch die Aktualisierung automatisch in Gang gesetzt wurde. Der SAP-Sprecher betonte zugleich, dass die Warn-App auch ohne die Hintergrundaktualisierung jederzeit anonyme Codes mit anderen Smartphones ausgetauscht habe – lediglich die Meldung an den Nutzer war abhängig vom Öffnen der Anwendung. In der neuesten Version sei das Problem nun gänzlich behoben worden. In den Einstellungen der App kann die Hintergrundaktualisierung mit einem Schieberegler aktiviert werden.
Dem Gesundheitsministerium war die Einschränkung schon bekannt. Seit Ende Juni wurde sie im Fragen-und-Antworten-Bereich der App (FAQ) ausdrücklich erwähnt. In der politischen Debatte geht dieser Service aber vielen nicht weit genug, da er in der Wahrnehmung zahlreicher Nutzer quasi im Kleingedruckten verschwand.
Gerade weil die Akzeptanz in der Bevölkerung so wichtig ist, wird der Kommunikation eine hohe Bedeutung beigemessen. „Da darf es keine großen Lücken geben“, mahnte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz in der „Bild“. Sein Parteikollege Dieter Janecek appellierte bei „t-online.de“: „Solche Fehler dürfen nicht mehr vorkommen, insbesondere wenn zum Herbst hin die Zahlen wieder ansteigen.“ Da hingegen in den vergangenen Wochen die Infektion in Deutschland sich im niedrigen bis mittleren dreistelligen Bereich bewegte, dürfte die Zahl der tatsächlich entgangenen Warnmeldungen überschaubar gewesen sein.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rief die Nutzer dazu auf, die Anwendung auch weiterhin herunterzuladen. Grundsätzliche Kritik an der App gab es kaum. Lediglich die AfD-Politikerin Joana Cotar forderte die Bundesregierung auf, die Anwendung abzuschalten. MARC BEYER