Frankfurt/Main – „Wir werden damit nie fertig werden, was unserem Vater angetan wurde. Es bleibt unvorstellbar und unbegreiflich.“ Der als Zeuge geladene Sohn des vor gut einem Jahr ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, Jan-Hendrik Lübcke (30), offenbarte gestern vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main: „Die Tat hat die Familie innerlich zerrissen.“ Der Mord überschatte das Leben: „Vom Alltag bin ich ganz weit entfernt. Es wird niemals mehr so sein wie früher.“
Dennoch wolle die Familie sich von der Tat nicht überwältigen lassen, sagte Jan-Hendrik Lübcke. Er habe mit seiner Frau und seiner Mutter beschlossen, weiterhin im Elternhaus zu wohnen. Lübcke schilderte vor Gericht, wie er den toten Vater fand. Zweimal versagte ihm kurz die Stimme.
Der mit den Eltern im selben Haus in Wolfhagen-Istha wohnende Sohn war am Abend der Tat auf der Dorfkirmes gewesen. Als er kurz vor 0.30 Uhr am 2. Juni 2019 nach Hause zurückkehrte, fiel ihm das Licht in der Küche auf. Er schritt auf die Terrasse und sah seinen Vater im Dunkeln auf dem Gartenstuhl sitzen. Dessen Kopf lehnte nach hinten an der Wand, der Mund stand offen, die Arme hingen herab. „Wie schlafend“, sagte Lübcke. Erst als der Vater keine Reaktion zeigte, habe er „kurz Panik“ bekommen: „Hier ist was passiert.“
Zu Beginn des siebten Verhandlungstages entließ der Vorsitzende Richter einen der beiden Verteidiger des Hauptangeklagten Stephan E., Frank Hannig. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Rechtsanwalt sei „zerrüttet“.