Was droht Corona-Demonstranten?

von Redaktion

VON K. BRAUN, S. HORSCH, K. RIMPEL UND C. DEUTSCHLÄNDER

München – Die Versammlungsfreiheit gehört zu unseren Grundrechten, und das betonen Corona-Demonstranten auch immer wieder. Jetzt steht sie aber auf dem Prüfstand: Wenn gut 20 000 Menschen die Gesundheit anderer gefährden – kann man da nur tatenlos zusehen?

Arbeitgeber dürften jedenfalls nicht erfreut sein, wenn ein Mitarbeiter ohne Maske und Abstand demonstriert hat – und so womöglich den Betrieb gefährdet. Ob Chefs Konsequenzen ziehen dürfen, ist aber noch nicht geregelt, sagt Wilfried Futschik, Anwalt für Arbeitsrecht – noch fehlt dafür eine Rechtssprechung. „Manche Arbeitgeber könnten mit einer Kündigung reagieren“, sagt der Münchner. „Das wäre aber wahrscheinlich nicht umsetzbar.“ Selbst wenn sich der Angestellte bei der Demo angesteckt hat, könne man das nur schwer beweisen. „Allenfalls wäre vielleicht mit aller Vorsicht eine Abmahnung anzudenken“, sagt er. „Der ein oder andere Chef wird sicher zu diesem Mittel greifen. Ob sich das durchsetzt, müssen die Gerichte entscheiden.“ Denn grundsätzlich gelte: Was man in seiner Freizeit treibt, geht den Chef nichts an; außer es geht um Straftaten.

Unklar sei jedoch, ob das für alle Berufe gleichermaßen gilt. Denn vor allem bei medizinischem Personal ist Vorsicht geboten. Siegfried Hasenbein, Chef der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), hält es aber für unwahrscheinlich, dass es Krankenhausangestellte geben könnte, die sich an der Demonstration in Berlin beteiligt haben. „Mir ist kein Fall bekannt, und ich kann mir das auch wirklich nicht vorstellen.“ Gerade die Ärzte und Pflegekräfte in den Kliniken hätten schließlich hautnah erlebt, was das Virus anrichten kann. „Ich halte das, was in Berlin passiert ist, für extrem verantwortungslos.“ Für Hasenbein ist deshalb klar: Wer sich daran beteiligt, ist in einem Krankenhaus fehl am Platz.

Aber auch unter vereinzelten Ärzten gibt es Kritik an den Corona-Maßnahmen, sagt Dr. Wolfgang Schaaf, der Vorsitzende des ärztlichen Bezirksverbands Niederbayern. In Schaafs Zuständigkeitsbereich Passau gebe es etwa einen Arzt, der Kollegen offenbar dazu aufrufen wollte, die „Maskenpflicht großzügig zu handhaben“. So sinnvoll die Maskenpflicht aus Schaafs Sicht auch sei, wie einzelne Ärzte das sehen oder ob sie an einer Corona-Demo teilnehmen, unterliege der Meinungsfreiheit. In der beruflichen Ausübung sind sie aber an die gesetzlichen Vorschriften gebunden.

Streng sind dafür die Regeln für Beamte. Bekommt der Dienstherr mit, dass ein Beamter auf der Demo ohne Abstand und Schutz mitmacht, ist im Einzelfall ein Disziplinarverfahren möglich. „Beamte haben aufgrund ihrer besonderen Stellung im Staat eine Vorbildfunktion“, sagt Rainer Nachtigall, der Chef des Bayerischen Beamtenbundes. „Das Verhalten jedes Beamten muss innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, das der Beruf erfordert.“

Noch ist offen, ob es für Corona-Demonstranten auch finanzielle Folgen geben könnte – etwa was die Behandlungskosten nach einer Infektion betrifft. Im Paragraf 52 des Sozialgesetzbuches V steht eindeutig, dass Versicherte, die sich eine Krankheit vorsätzlich zugezogen haben, von ihrer Krankenkasse an den Kosten beteiligt werden können. Von Kassenseite heißt es allerdings gegenüber unserer Zeitung, ein Vorsatz sei bei einer Veranstaltung wie in Berlin nur sehr schwer nachzuweisen. Schließlich lasse sich kaum beweisen, wo und unter welchen Umständen eine Ansteckung tatsächlich stattgefunden hat. Man sehe deshalb „große rechtliche Probleme“.

Bei der medizinischen Versorgung darf der Vorsatz nicht berücksichtigt werden. BKG-Chef Hasenbein stellt klar: „Wer eine Behandlung braucht, wird im Krankenhaus behandelt.“ Auch wenn er sich zuvor auf einer Anti-Corona-Demo bewusst einem Risiko ausgesetzt hat, werde er deshalb nicht schlechter oder nachrangig versorgt.

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