Deutsche Reisewarnung für die Türkei bröckelt

von Redaktion

Außenministerium lockert regional und vertraut auf Tests vor Rückflug – Streit um Corona-Demos

Berlin – Eine Entscheidung mit politischer Sprengkraft: Trotz hoher Infektionszahlen bei Rückkehrern und steigenden Corona-Fällen in der Türkei lockert die Bundesregierung die Reisewarnung. Das Auswärtige Amt hob am Dienstagabend die Reisewarnung für die vier Küstenprovinzen Antalya, Izmir, Aydin und Mugla mit sofortiger Wirkung auf. Das teilte Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer mit. Grundlage sei eine Vereinbarung mit der türkischen Regierung über sicheren Reiseverkehr in der Pandemie, die Auflagen enthält, etwa Pflicht-Tests für Reisende vor der Rückkehr.

Zu den vier Provinzen im Südwesten zählen beliebte Reiseziele rings um die Orte Kas, Bodrum oder Kusadasi. Für andere Orte, insbesondere Istanbul, bleibt die Warnung vorerst. Demmer begründete die Lockerung damit, dass in den Provinzen mit etwa fünf Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen die Ansteckungsgefahr relativ gering sei. Auch habe die Türkei ein spezielles Tourismus- und Hygienekonzept entwickelt.

Die tägliche Zahl der Neuinfektionen lag in der Türkei in den letzten Wochen zwischen 900 und 1000 pro Tag und damit etwa so hoch wie in Deutschland, bei etwa gleicher Bevölkerungszahl. Am Dienstag stiegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen in der Türkei aber wieder auf mehr als 1000.

Den Angaben zufolge wird die Türkei „von sämtlichen Personen, die aus der Türkei nach Deutschland zurückreisen, bei der Ausreise die Vorlage eines negativen Corona-Testnachweises verlangen, der nicht älter als 48 Stunden sein darf“. Dies gelte für alle Türkei-Reisenden, unabhängig davon, in welchen Provinzen sie waren. Die Kosten zwischen 15 und 30 Euro sollen die Reisenden demnach selbst tragen.

Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy zeigte sich erfreut. „Wir sind bereit, unsere deutschen Gäste zu empfangen“, schrieb er auf Twitter. Ankara hatte lange auf eine Aufhebung der Reisewarnung gedrungen. Der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige.

Die „Welt“ berichtete unter Berufung auf Flughafenangaben, die Reisewarnung für die Türkei sei auch im Juni und Juli bereits von mindestens 410 000 Reisenden aus Deutschland missachtet worden. Davon seien gut 170 000 schon wieder zurück. Ein Teil seien Familienbesuche von Menschen mit türkischen Wurzeln.

Unterdessen verschärft sich in der Bundesregierung der Dissens über den Umgang mit Demonstrationen der Corona-Leugner. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach sich gegen ein Verbot solcher Demonstrationen aus, Innen-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) bezeichnete das hingegen am Dienstag als prinzipiell vertretbar. Lambrecht sagte dem „Spiegel“, es sei „ganz wichtig, dass wieder Demonstrationen stattfinden können und Menschen dort ihre Meinung, auch zur aktuellen Corona-Politik der Bundesregierung, frei und öffentlich äußern können.“ Es sei „aber verstörend und nicht hinnehmbar, wenn dabei bewusst und provokativ gegen die geltenden Corona-Schutzvorschriften verstoßen wird“.

Indes schrieb CSU-Mann Mayer in einem Beitrag für die „Rhein-Neckar-Zeitung“, „die ausreichende Überwachung der Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregelungen muss weiterhin höchste Priorität haben“. Die Landesbehörden müssten abzuwägen, inwieweit man „bei der Genehmigung zukünftig restriktiver zu entscheiden hat“. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae warnte, das Bundesverfassungsgericht habe generelle Verbote schon vor Monaten für grundgesetzwidrig erklärt.  mm/afp/dpa

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