Wie Extremisten Corona ausnutzen

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Seit dem Beginn der Corona-Pandemie kursieren immer mehr Verschwörungstheorien im Netz. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnt: Extremisten wollen mit wilden Theorien Unzufriedenheit mit dem demokratischen System schüren. Rechts- und Linksextremisten sowie Islamisten instrumentalisierten die Corona-Krise, sagte Herrmann bei der Vorstellung der Verfassungsschutz-Information für das erste Halbjahr 2020. Den Grünen reicht eine Warnung nicht: Fraktionschefin Katharina Schulze fordert jetzt vom Innenministerium eine landesweite Aufklärungskampagne, die „Desinformation und Verschwörungstheorien entkräften“ soll.

Rechtsextremismus: Die Bilder von wehenden Reichsflaggen bei der Demo am Wochenende in Berlin zeigen: Bei Corona-Protesten rücken Rechtsextremisten immer mehr in den Mittelpunkt. Laut Herrmann haben Rechtsextremisten das Potenzial von Verschwörungstheorien für sich entdeckt. Dabei geht es zum Beispiel um Mythen, die Asylbewerbern, Migranten und Juden die Schuld an der Corona-Krise geben. Der NPD-Kreisverband Ansbach verbreitete zum Beispiel im April auf Facebook den Mythos, die Ausgangsbeschränkungen seien ein Ablenkungsmanöver der Regierung, um heimlich mehr Immigranten in die EU zu bringen.

Auch die Zeitschrift „Compact“ verbreitet immer wieder wirre Theorien: Auf der Titelseite seiner Juni-Ausgabe hat das Magazin Bill Gates mit einer Spritze in der Hand gezeigt – Titel: „Der Impf-Diktator“. Seit März wird die Zeitschrift vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft.

Radikale Botschaften verbreiten sich allerdings nicht nur in entsprechenden Kreisen. Zuletzt tauchte etwa die Musik des rechtsextremen Rappers Chris Ares ganz oben in den Charts von Amazon Musik auf. In Songs geht es zum Beispiel darum, dass die Politik eine Verdrängung der „einheimischen Bevölkerung durch Migranten“ plane. Ares erreicht im Internet „eine beträchtliche Zahl an – oftmals jungen – Zuhörern und Followern“, sagt Herrmann.

Linksextremismus: Das bayerische Innenministerium hat im ersten Halbjahr des Jahres knapp 400 linksextremistische Straftaten erfasst, darunter 22 Gewalttaten. „Linksextremisten begreifen die Situation als Chance, den Systemwechsel zu erzwingen“, sagt Herrmann, „auch mit Gewalt.“ Ein Beispiel seien die Brandanschläge im Februar auf Mobilfunkmasten in Unterhaching: Dabei hätten Linksextreme ein Zeichen gegen die neue 5G-Technologie setzen wollen, mit der – so die Theorie – Menschen mehr als je zuvor überwacht werden sollten. Das anarchistische Wochenblatt „Zündlumpen“ aus München habe im Mai außerdem dazu aufgerufen, die „komplexe Situation“ in der Corona-Krise zu nutzen, um weitere Sendemasten niederzubrennen. Laut Herrmann sinke in der linksextremistischen Szene die Hemmschwelle, schwere Straftaten zu begehen.

Islamismus: Auch Islamisten reagieren auf die Corona-Krise. „Die Pandemie hat aufgezeigt, wie verwundbar Staaten, Gesellschaft und die Weltwirtschaft angesichts einer solchen Notlage sind“, sagt Innenminister Herrmann. Salafisten würden die Seuche als „eine Strafe Gottes für die Ungläubigen“ sehen. Im Vergleich zu den anderen extremistischen Szenen seien aber weniger die Verschwörungstheorien selbst eine Gefahr für die Sicherheit in westlichen Staaten – sondern vielmehr die Schlussfolgerung, die Islamisten daraus ziehen. Die Anschläge im ersten Halbjahr dieses Jahres in Frankreich und in Großbritannien zeigen laut Verfassungsschutzbericht, dass Europa und damit auch Deutschland weiterhin Ziele für dschihadistische Organisationen und radikalisierte Einzelpersonen sind.  mit dpa

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