Nürnberg – Die Staatsregierung stimmt die Eltern auf einen unruhigen Herbst ein. In einer Sondersitzung in Nürnberg und teils per Video-Zuschaltung hat sich das Kabinett vorerst nicht auf strengere Regeln für den Schulbetrieb in Corona-Zeiten festgelegt. Es soll jetzt aber einen Schul-Gipfel am 1. September geben, der unter anderem über eine Maskenpflicht im Unterricht entscheiden soll.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ließ Zweifel an den Masken im Unterricht durchscheinen. Bei regional geringen Fallzahlen wäre dies „eher eine Qual und Tortur für die Schüler“, sagte er, schloss es aber nicht aus. Man müsse aber regional „jeden Tag flexibel reagieren können“. Es solle regelmäßigen Unterricht geben, aber er werde weiterhin „nicht ganz normal“ laufen. Man werde es sicher nicht allen Recht machen können.
Der Gipfel, eine Woche vor Schulstart, wird immer noch mit Unklarheiten zu kämpfen haben. Größte Sorge der Landespolitik sind infizierte Heimkehrer aus dem Sommerurlaub oder von Familienbesuchen im Ausland. Wie viele es sind, ob sie rechtzeitig getestet und entdeckt werden, ob das schon zusammenfällt mit der ersten „normalen“ Erkältungswelle im Herbst – alles offen.
Bayern fährt nun vor allem mit Blick auf das Ende der Reisesaison im September seine Testkapazitäten drastisch hoch, auf rund 200 000 pro Tag. In allen Landkreisen und kreisfreien Städten sollen insgesamt 100 Testzentren errichtet werden, in denen sich jeder Bürger auch ohne Arzttermin testen lassen kann – alles auf Staatskosten, bis zu 272 Millionen Euro stehen bereit. Auch Reihentestungen für die Lehrer könnten teilweise in diesen Zentren stattfinden. Zwischen 24. August und 18. September läuft der erste Durchgang an Corona-Tests für die Lehrer. Schüler werden getestet, wenn sie Symptome zeigen, also nicht in die Schule kommen dürfen. Söder hofft bis dahin auf Erkenntnisse aus den anderen Ländern, in denen die Ferien früher enden. Erste Erkenntnisse: Mecklenburg-Vorpommern sperrte nach vier Tagen schon zwei Schulen wieder zu.
Teil des bayerischen Konzepts wird auch, den Schulstart jeden Morgen zu entzerren. Vor allem in Ballungsräumen wie München sollen nicht alle Klassen und alle Schulen strikt um 8 Uhr morgens anfangen – das Gedränge vor allem in den U-Bahnen und Bussen soll so wenigstens etwas gelindert werden. Bisher kommen acht von zehn Schülern mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Das Ziel bleibe ein Regelbetrieb mit festen Klassen und regelmäßiger Lüftung, sagte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Stunden dürften auch schon nach 40 Minuten enden, zugunsten längerer Lüftungszeit in den Klassenzimmern. Aktuell sind nach Piazolos Angaben die Infektionszahlen so niedrig, dass fast überall Regelbetrieb möglich wäre.
Falls die Infektionszahlen steigen, gibt es drei festgelegte Alternativszenarien mit halbierten Klassen und abwechselndem Fernunterricht, mit verschärften Abstandsregeln, eben der Maskenpflicht doch im Unterricht und – ab 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern – dann Schulschließungen.
Piazolo sagte, man habe die Bedingungen für Fernunterricht „optimiert“. Mehr als 50 000 Leih-Tabletcomputer stünden für bedürftige Schüler zur Verfügung, und 100 000 Lehrer hätten sich für die „Fortbildungsoffensive“ zum Digitalunterricht registriert. Die Opposition im Landtag bezweifelt das allerdings und wirft der Staatsregierung vor, viel zu wenig in Tablets und digitale Lösungen investiert zu haben.
Die SPD forderte Piazolo auf, mehr dafür zu tun, dass es nicht zu Schulschließungen kommt. „Die vergangenen Monate haben gezeigt: Im Lockdown blieben Bildung und Bildungsgerechtigkeit aus den unterschiedlichsten Gründen auf der Strecke“, sagte die bildungspolitische Sprecherin Margit Wild. Sie fordert außerdem, Schulen gründlicher und häufiger zu desinfizieren. Die Landtags-Grünen verlangen vom Kultusministerium mehr Dialog mit den Eltern.