Washington – Im Kampf ums Weiße Haus gehen die demokratischen Anwärter Joe Biden und Kamala Harris in die Offensive. Bei ihrem ersten Auftritt als Team warfen sie Amtsinhaber Donald Trump Versagen in der Corona-Krise und allgemeine Führungsschwäche vor. „Jammern ist, was Donald Trump am besten kann“, sagte der designierte Präsidentschaftskandidat Biden. Die schwarze Senatorin Harris, die erst am Vortag als Kandidatin für den Vizepräsidentenposten ausgewählt wurde, machte Trump für die hohen Corona-Opferzahlen in Amerika verantwortlich.
Der straff durchgetaktete Auftritt in Wilmington (Delaware) gab einen ausführlichen Vorgeschmack auf die Argumente und die Taktik des demokratischen Spitzenteams für die gut 80 Tage bis zur Präsidentenwahl am 3. November.
Biden überließ der früheren Staatsanwältin Harris den Großteil der Attacken auf den amtierenden Präsidenten. „Wir haben einen Präsidenten, der sich mehr um sich sorgt als um die Menschen, die ihn gewählt haben“, sagte sie. Harris fokussierte sich besonders auf die Corona-Krise, in der alle 80 Sekunden ein Amerikaner an Covid-19 sterbe. Das Virus habe die USA besonders hart getroffen, „weil Trump es von Anfang an nicht ernst genommen hat“, prangerte sie an. „Während andere Länder der Wissenschaft folgten, propagierte Trump Wunderarzneien, die er bei Fox News gesehen hat“, kritisierte sie mit einer Anspielung auf Trumps Lieblingssender. „Trump ist auch der Grund, warum Millionen Amerikaner jetzt arbeitslos sind.“
Harris fiel es auch zu, den Wählern Biden als Menschen zu präsentieren. Sie sprach von ihren Unterhaltungen mit Bidens Sohn Beau – ebenfalls ein Jurist, der 2015 an einem Gehirntumor starb. Er habe ihr davon erzählt, wie Joe Biden nach dem Unfalltod seiner Frau trotz der Arbeit im über 150 Kilometer entfernten Washington stets seinen beiden Söhnen morgens Frühstück gemacht und sie abends ins Bett gebracht habe. „Er ist jemand, dessen erste Reaktion, wenn es hart wird, ist, nie an sich zu denken, sondern sich um alle anderen zu kümmern.“ Biden wirkte sichtlich gerührt.
Biden erinnerte seinerseits daran, dass er Harris über seinen Sohn kennengelernt habe. „Ich weiß, wie sehr Beau Kamala und ihre Arbeit respektiert hat. Und das hat mir, um ehrlich zu sein, sehr viel bedeutet, als ich meine Entscheidung getroffen habe.“ Harris sei klug, zäh, erfahren und eine „bewährte Kämpferin für das Rückgrat dieses Landes“, die Mittelschicht und diejenigen, die darum kämpften, in die Mittelschicht zu gelangen. Harris sei Tochter von Einwanderern. „Ihre Geschichte ist Amerikas Geschichte“, sagte er.
Biden hielt Trump zwar vor, ein Problem mit starken Frauen wie Harris zu haben, hielt sich mit Kritik aber weitgehend zurück und gab sich mehr als Staatsmann. „Es ist ein ernster Moment für unsere Nation“, betonte er. „Wir stehen an einem Wendepunkt.“
Kurz nachdem Biden und Harris die Bühne verlassen hatten, betrat im Weißen Haus Trump das Podium für eine Pressekonferenz – die dritte in drei Tagen. Er zeigte zunächst Grafiken, die unter anderem ein Wachstum am Aktienmarkt und eine Erholung der Nachfrage nach Autos darstellten. „Wir machen uns unglaublich gut“, versicherte Trump abermals. Europa habe unterdessen in der Corona-Krise eine um 40 Prozent höhere Übersterblichkeit als die USA erlebt. „Wir arbeiten mit Europa an deren Schwierigkeiten“, sagte Trump. Auf die Attacken von Biden und Harris reagierte er erst spät. Nein, er habe sich ihre Auftritte nicht angesehen, nur kurz reingeschaut, antwortete Trump auf eine Reporter-Frage. Er erinnerte daran, dass er es im Gegensatz zu Harris durch den Vorwahlkampf als Präsidentschaftskandidat geschafft habe: „Sie ging wie ein Stein unter. Ich nicht.“