Krise in Weißrussland

Das Wünschbare und das Mögliche

von Redaktion

ALEXANDER WEBER

Wer die Bilder hunderttausender Weißrussen sieht, die mutig auf die Straßen gehen, um gegen das offizielle 80-Prozent-Resultat für Präsident Lukaschenko zu demonstrieren, fühlt sich instinktiv an die Freiheitsbewegungen in Osteuropa nach dem Fall der Mauer erinnert. Hier wie da waren und sind die Menschen nicht länger bereit, ein Unrechtsregime weiter zu erdulden. Sie verdienen unsere Unterstützung. Die Frage ist nur: Wie kann die Europäische Union diesen Menschen beistehen, sich vom Joch des Diktators zu befreien, ohne falsche Hoffnungen zu wecken und anderen einen Vorwand für ein militärisches Eingreifen zu liefern? Das ähnliche Problem stellt sich in Hongkong. Auch dort sind die Sympathien klar aufseiten der Demokratiebewegung, doch wie Europa den offenen Vertragsbruch des mächtigen China realpolitisch eindämmen könnte, steht in den Sternen.

Das Mögliche zu tun, ohne das Wünschbare aus den Augen zu verlieren, ist das Gebot der Stunde. Die EU hat im Fall Belarus politisch klar Position bezogen und Personen aus der Regierung in Minsk mit Sanktionen belegt. Das kann nur ein erster Schritt sein. Lukaschenko selbst muss für Europa Persona non grata werden. Ihn zu stürzen, bleibt jedoch dem Durchhaltewillen der Weißrussen überlassen. Eine EU-Beitrittsperspektive für Belarus – das ist der große Unterschied zur Maidanbewegung der Ukraine – ist kein Thema. Wohl aber eine Verbesserung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Darin steckt die Stärke der EU.

Alexander.Weber@ovb.net

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