Berlin – Seit mehr als vier Jahren lebt der Gewalttäter von der Berliner Autobahn in Deutschland. Einige Jahre davon in einer Containersiedlung. Nach der Tat stellt sich die Frage, ob er jemals in seiner neuen Heimat ankam. Anfang der Woche machte der Iraker auf der Berliner Autobahn gezielt mit einem Auto Jagd auf Motorräder. Wie konnte es dazu kommen?
Wurde der psychisch labile 30-Jährige aufgestachelt, oder handelte er allein aus „bizarrem religiösem Wahn“, den ein Gutachten ihm attestiert? Es gibt viele offene Fragen, die Aufarbeitung des islamistischen Anschlags hat gerade erst begonnen. Das Bild des Täters ist noch nicht vollständig. Der Angreifer ist inzwischen in der Psychiatrie im Maßregelvollzug, dem Haftkrankenhaus, untergebracht. Wegen der psychischen Erkrankung sei eine Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen.
Sechs Menschen wurden bei den Angriffen mit dem Auto verletzt, drei davon schwer. Ein lebensgefährlich verletzter Feuerwehrmann liegt weiter auf einer Intensivstation.
Im Abgeordnetenhaus sagt Innensenator Andreas Geisel (SPD), der Mann sei nach Ablehnung seines Asylantrages 2017 nicht abgeschoben worden, weil Deutschland seit Jahren keine Menschen in das Bürgerkriegsland Irak zurückschicke. Es gebe zwar Ausnahmen, etwa wenn schwerste Straftaten begangen wurden. Doch die vor dem Anschlag vorliegenden Erkenntnisse seien dafür nicht ausreichend gewesen.
„Der Staatsschutz hat ihn zwar als einen Bekannten eines erfassten Gefährders hier in Berlin registriert“, so Geisel. Die beiden Männer hätten gemeinsam in dem Wohnheim gelebt, doch das sei „schon eine ganze Weile her“. Wie eng der Kontakt zu dem radikalen Islamisten aus Syrien war, wird noch ermittelt. Gegenüber deutschen Behörden soll sich dieser Syrer zwar als von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verfolgter Flüchtling ausgegeben haben. Die Sicherheitsbehörden schätzen ihn aber anders ein.
Nach bisherigen Erkenntnissen der Behörden kam der 30-jährige Iraker nicht als sogenannter Schläfer nach Deutschland. So nennen Experten Terroristen, die mit dem Auftrag, einen Anschlag zu verüben, in ein anderes Land geschickt werden. Der Fall zeigt eher, dass neben Gefängnissen und Salafisten-Moscheen auch Flüchtlingsunterkünfte Orte sein können, an denen sich Menschen radikalisieren können.
Über den Iraker ist bisher bekannt, dass er in Bagdad geboren wurde. Bei den Behörden heißt es, er habe angegeben, im Irak vier Jahre Modedesign studiert zu haben. Auf seinem Facebook-Profil hatte er von „Graphic design“ geschrieben. Dort postete er im März 2015 ein Foto vom Abschlusstag an einer irakischen Kunstakademie. J. SCHÜTZ