München – Die Corona-App der Bundesregierung soll vor Ansteckungsgefahren im Alltag warnen. Wer über 15 Minuten lang näher als zwei Meter mit einem Infizierten in Kontakt war, wird von ihr auf sein erhöhtes Risiko hingewiesen. Vorausgesetzt, beide nutzen die App überhaupt. Zwar haben die Bundesbürger sie bereits 17,5 Millionen Mal runtergeladen. Doch nach Einschätzung von Experten ist diese Zahl – die auch nicht mit der Zahl der Nutzer gleichzusetzen ist – noch immer zu gering.
„Damit die Corona-Warn-App wirklich etwas bringt, sollte sich die Zahl der Downloads verdoppeln“, sagte Gert Wagner, Mitglied des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen, der „Welt am Sonntag“. Auch Markus Söder, Chef der Regierungspartei CSU, ist bisher wenig überzeugt. „Die Corona-Warn-App ist noch kein ganz großer Erfolg“, sagte er gestern dem „Spiegel“. Ein Problem sei, dass viele Menschen ein altes Handy nutzen würden, auf dem die App nicht läuft.
Diesen Kritikpunkt teilt auch Manuel Höferlin (FDP). Der Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag hält die Corona-App zwar grundsätzlich für gelungen. Doch mit Gesamtkosten von bis zu über 60 Millionen Euro sei sie „einfach zu teuer, um Potenzial ungenutzt zu lassen“, sagte Höferlin unserer Zeitung. Die Bundesregierung müsse endlich auf Hersteller wie Apple einwirken, die App auch auf älteren Geräten laufen zu lassen. Momentan sei die Nutzung erst ab dem Apple-Modell I-Phone 6s möglich, technisch ginge es aber schon ab dem älteren I-Phone 4s.
Höferlin sieht noch weitere Schrauben, an denen man drehen müsse. Dass man für den Download der App mindestens 17 Jahre alt sein muss, zeuge mit Blick auf die Infektionsgefahr in Schulen von „unglaublich schlechter Planung“. Auch dass es – obwohl technisch in vielen Fällen möglich – keinen Datenaustausch mit Apps anderer Länder gebe, sei „nicht nachvollziehbar“. Der gravierendste Fehler liege allerdings in der Kommunikation der Bundesregierung. Immer wieder sei die Corona-App in der öffentlichen Darstellung mit anderen Programmen – wie zum Beispiel der Datenspende-App – vermischt worden. Zudem seien Fehler in der Anfangsphase nicht offen kommuniziert worden. „So kann man kein Vertrauen aufbauen“, sagt Höferlin.
Das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) betont auf Anfrage unserer Zeitung, dass die App „ein Baustein von mehreren“ im Kampf gegen Corona sei. „Jede Warnung, die durch die Corona-Warn-App erfolgt, kann dazu beitragen, Infektionsketten schneller zu unterbrechen und die Verbreitung von Sars-Cov-2 einzudämmen.“ Somit trage jeder Einzelne, der die App nutze, damit auch zur Pandemiebekämpfung bei. Der logische Schluss: „Aus Sicht der Bundesregierung gibt es keine Mindesterfolgsgrenze.“
Aber natürlich wird trotzdem Buch geführt: Neben 17,5 Millionen Downloads seien bisher über 210 000 Testergebnisse (auch negative) „auf digitalem Weg übermittelt und mehr als 1800 teleTans zur Verifikation eines positiven Testergebnisses ausgegeben“ worden, schreibt das Ministerium. Gleichzeitig erhalte die Anwendung „in den App-Stores sehr positives Feedback der Nutzerinnen und Nutzer“. Und auf den öffentlich einsehbaren Plattformen der Entwickler herrsche „ein konstruktiver Austausch darüber, wie sich die App noch weiter verbessern lässt“.