Wachstumsbremse für den Bundestag

von Redaktion

Koalition schließt Kompromiss für Reform – Bayern verliert 2025 zwei Wahlkreise

München – Jahrelang haben sie gestritten. Am Dienstagabend einigte sich die Große Koalition schließlich doch auf einen Kompromiss, mit dem das Wachstum des Bundestags gebremst werden soll. In zwei Schritten soll das Parlament bis zur Bundestagswahl 2025 schrumpfen. Vizekanzler Olaf Scholz und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigen sich erleichtert. Auch in der CSU ist man zufrieden. Die Opposition geht hingegen hart mit den Koalitionsparteien ins Gericht.

Über die Jahre war der Bundestag immer weiter gewachsen. 614 Abgeordnete waren es 2005, im Jahr 2009 dann 622, wieder vier Jahre später saßen 631 Abgeordnete im Parlament und nach der Bundestagswahl 2017 waren es schließlich 709. Nach der Wahl im kommenden Herbst könnten es dann sogar mehr als 800 Parlamentarier sein, warnten Kritiker bereits.

Die Ursache dafür liegt vor allem in den sogenannten Überhangmandaten, die entstehen, wenn eine Partei mehr Sitze über direkt gewählte Kandidaten in den Wahlkreisen gewinnt, als ihr eigentlich gemäß ihrem Zweitstimmenanteil zustehen würden. Um dieses Missverhältnis wieder gerade zu rücken, erhalten die anderen Parteien wiederum zusätzliche Ausgleichsmandate. Die meisten Überhangmandate hat bisher die Union erzielt. Weil ihr Zweitstimmenanteil zuletzt sank, wurde es im Parlament immer enger.

Nun will die GroKo diesen Trend stoppen und sogar leicht umkehren. Bei der Wahl im kommenden Jahr sollen dazu drei Überhangmandate nicht mehr ausgeglichen werden. Zudem sollen Veränderungen beim sogenannten ersten Zuteilungsschritt – also der Verteilung der Parlamentssitze auf die einzelnen Länder – die Zahl der Mandate ebenfalls reduzieren. Eine Besonderheit: „Auf die CSU hat das keine Auswirkung, weil sie ausschließlich in Bayern antritt“, erklärt Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unserer Zeitung. Er rechnet damit, dass durch den Kompromiss im kommenden Jahr etwa 20 Mandate wegfallen.

Vier Jahre später sollen es laut Dobrindt dann sogar bis zu 80 Mandate weniger sein. Denn zur Wahl 2025 soll der Hauptteil des GroKo-Reformplans greifen: eine Reduzierung der Wahlkreise in Deutschland von 299 auf 280. Klar ist bereits: „In Bayern werden zur Bundestagswahl 2025 zwei Wahlkreise wegfallen“, sagt Dobrindt. Zudem soll noch in dieser Wahlperiode eine Reformkommission eingesetzt werden, die auch über mögliche weitere Neuerungen wie ein Wahlrecht ab 16 Jahren berät.

Aber wäre eine Reduzierung der Wahlkreise nicht auch schon vor der Wahl 2021 möglich? „Theoretisch ja“, sagt Dobrindt. Doch weil das reguläre Verfahren Jahre in Anspruch nehme, müsste die Bundesregierung Ländern und Parteien dazu eine Entscheidung überstülpen. „Das entspricht nicht unserer Tradition der demokratischen Entwicklung von Wahlkreisen.“

In den Augen der Opposition ist das alles viel zu wenig. Die Beschlüsse seien ein „Armutszeugnis“, sagt Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. Ihr FDP-Kollege Marco Buschmann betont: „Die Beschlüsse der GroKo beseitigen die Gefahr eines XXL-Bundestags nicht.“ Die CSU habe sich mit ihrem Ziel durchgesetzt, die Wahlkreise nicht zu ändern. Die CDU bekomme einen Bonus von drei unausgeglichenen Überhangmandaten. „Und der Rest dient nur der Vernebelung.“ Da die Oppositionsparteien normalerweise in Veränderungen des Wahlrechts eingebunden werden, könnte das allerletzte Wort aber noch nicht gesprochen sein. SEBASTIAN HORSCH

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