Schweden plant wieder größere Veranstaltungen

von Redaktion

Kurs der Lockerungen geht weiter: Die Beschränkung bei Veranstaltungen steigt von 50 auf 500 Personen

Stockholm – Während große Teile der Welt in den Corona-Lockdown gingen, entschied sich Schweden für einen anderen Weg – und führt ihn weiter fort. Obwohl Geschäfte, Schulen, Restaurants, Bars und Fitnessstudios offen blieben, dürfen öffentlich nur maximal 50 Personen zusammenkommen. Das ist genau der Wert, der in Deutschland bei Feiern außerhalb der Privatwohnung nun für Debatten sorgt. Weil in Schweden aber die Zahl der Neuinfizierten rückläufig ist, hat die Regierung angekündigt, diese Grenze von 50 Personen für Kultur- und Sportereignisse wieder zu erhöhen. „Ja, das ist unser Vorhaben, ab 1. Oktober“, bestätigte die grüne Kultur- und Sportministerin Amanda Lind.

Solange die Zuschauer einen Meter Abstand hielten, könne die Anzahl der Personen von 50 auf 500 erhöht werden, sagte Staatsepidemiologe Anders Tegnell. Bei der Lockerung geht es etwa um Theater und andere Bühnenaufführungen, Sportereignisse oder Kinos. Offiziell lautet die Definition: „Ereignisse, welche die zivile Gesellschaft anbietet“ – also voraussichtlich auch das Nachtleben. Allerdings bleibt eine wichtige Einschränkung bestehen: Das Publikum muss sitzen.

Damit beugt sich die rotgrüne Regierung in Stockholm auch ein wenig der scharfen Kritik aus der Kultur- und Sportszene, die wirtschaftlich sehr leiden. Mehrere populäre Schauspieler und Musiker hatten die 50-Personenregel öffentlich angeprangert.

Die Schweden glauben weiter an den Beginn einer Herdenimmunität, etwa in der Hauptstadt Stockholm. „Wir glauben, zwischen 20 und 40 Prozent Immunität in der Bevölkerung in Stockholm zu liegen“, sagte Staatsepidemiologe Tegnell unserer Zeitung. „Unser Ziel war die Herdenimmunität nicht. Wir wollen ja nicht, dass Menschen krank werden. Aber wir wissen auch: Je größer der Teil der Bevölkerung ist, der durch eine Erkrankung immun geworden ist, desto einfacher wird es, weitere Ausbrüche in der Zukunft zu bewältigen.“ Es gebe also Gründe anzunehmen, dass die hohe Immunitätsrate eine weitere umfassende Corona-Welle verhindern könnte. Ausbrüche kann es aber weiter geben. Da muss man auf der Hut bleiben.“

Tegnells Hoffnung steht im Widerspruch zu jüngsten deutschen Forschungen, die von einer relativ kurzen Halbwertszeit von Antikörpern ausgehen. Diese Erkenntnisse stehen der Hoffnung auf eine Herdenimmunität entgegen. Schwedens Sonderweg wurde kritisiert, weil im Verhältnis zur Bevölkerung deutlich mehr Menschen gestorben sind als in den Nachbarländern. Bis gestern waren es 5820.

Tegnell sieht sich in seiner Strategie bestätigt: „Rund die Hälfte der Verstorbenen in Schweden lebte in speziellen Altenheimen, wo die Ältesten und besonders Kranken leben. Insgesamt sind dort 70 000 Menschen – die meisten blieben also gesund. Einige Altenheime hatten für die Pandemie leider keine Bereitschaft und nicht das nötige Wissen, um die Ausbreitung zu verhindern.“ Eine weniger lockere Strategie hätte die vielen Toten aber nicht verhindert. ANDRÉ ANWAR

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