Moskau/München – In Moskau ist der kremlkritische Aktivist und Journalist Jegor Schukow bei einem Angriff schwer verletzt worden. Der 22-Jährige musste wegen Platzwunden im Gesicht und wegen des Verdachts auf ein Schädel-Hirn-Trauma in ein Krankenhaus, wie der Radiosender Echo Moskwy berichtete. Schwere innere Verletzungen habe er jedoch nicht erlitten, teilte Schukows Team mit. Er sei mittlerweile wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Schukow, der in Russland ein bekannter Blogger ist, arbeitet für den kremlkritischen Sender Echo Moskwy, nachdem ihm die Justiz verboten hatte, selbst weiter einen Videokanal im Internet zu betreiben. Seine Sendungen haben hohe Einschaltquoten. So interviewte Schukow den Oppositionsführer Alexej Nawalny, der nun wegen schwerer Vergiftungserscheinungen in Berlin in der Charité behandelt wird.
Der Kreml sieht nach eigenen Angaben keinen Zusammenhang zwischen dem Fall Nawalny und dem Angriff auf den Blogger. „Wir wissen nicht, wer Schukow attackiert hat, wir wissen auch nicht warum“, sagte Sprecher Dmitri Peskow. „Wir hoffen, dass die Verantwortlichen gefunden und bestraft werden.“ Schukows Team veröffentlichte in den sozialen Netzwerken Bilder von den Verletzungen. Demnach wurde weiter auf den Kopf des jungen Mannes eingeschlagen, als er schon am Boden lag. Zwei unbekannte Männer sollen dem Aktivisten am Sonntag nach einer Sendung vor seiner Wohnung aufgelauert haben.
Immer wieder kommt es in Russland zu Angriffen auf Andersdenkende, die kaum je aufgeklärt wurden. Schukow, der schon einmal laut über eine Präsidentschaftskandidatur nachdachte, gilt als talentierter und extrem schlagfertiger politischer Redner. Er ist ein Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin und steht beispielhaft für eine Politisierung der Jugend in Russland. Deshalb saß er erst im Gefängnis, dann über Wochen im Hausarrest. Ein Gericht verurteilte ihn im Dezember zu drei Jahren Haft auf Bewährung und untersagte ihm, für zwei Jahre eigene Webseiten im Internet zu betreiben. Seine Vita ähnelt in vielen Punkten der von Nawalny, der ebenfalls immer wieder Probleme mit der russischen Justiz hatte.
Mit Nawalnys Vergiftung hat das deutsch-russische Verhältnis nach Meinung von Wolfgang Ischinger einen „neuen Tiefpunkt“ erreicht. „Russlands Glaubwürdigkeit war durch den Giftanschlag auf Sergej Skripal in Großbritannien, den Mord an einem Exiltschetschenen im Berliner Tiergarten und den Hackerangriff auf den Bundestag ohnehin schon erschüttert. Sie dürfte nun endgültig erledigt sein“, sagte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz dem „Spiegel“. In Moskau gelte nur noch das Recht des Stärkeren. „Das ist das Ende, leider, auch für die Idee strategischer Partnerschaft.“