Bandenkrieg in Schweden eskaliert

von Redaktion

Kriminelle errichten bewaffnete Straßenkontrollen in Göteborg – Verbindungen nach Berlin

Stockholm – Schweden klingt immer so harmlos. Mitnichten. In Göteborg ist die Polizei derzeit in höchster Alarmbereitschaft. Die Bürger der zweitgrößten schwedischen Stadt werden derzeit vom Konflikt zweier rivalisierender krimineller Banden in Atem gehalten. An einer Tankstelle kam es am 12. August zum ersten großen Streit zwischen beiden Gruppen. Sie begannen sich zu schlagen und zu beschießen. In den folgenden Wochen gab es mehrere Schießereien, Autos wurden angezündet. Zuletzt errichteten die Banden sogar Wegsperren mit vermummten und bewaffneten, mit kugelsicheren Westen ausgestatteten Kontrolleuren an ihren Revieren, die laut schwedischen Medien teils Autos durchsuchten.

„Maskierte Männer, die Autos unseres Personals stoppen und mit Taschenlampen hineinleuchten“, beschreibt der Lokalpolitiker Johan Fält vom Bezirk Angered. Die kommunalen Angestellten für Altenpflege oder Sozialdienste sollen nun bei Bedarf von einer Wachfirma von zuhause zur Arbeit gebracht werden, schreibt „Arbetet“.

In einigen Gebieten war es zeitweise gespenstisch leer, weil Bürger es vermieden, auf die Straßen zu gehen, nachdem Kriminelle davor warnten. Mehrere große Arztpraxen im Nordosten Göteborgs stellten zeitweise Hausbesuche wegen des Bandenkonflikts ein. „Wir müssen immer an unsere Mitarbeiter denken, und es ist klar, dass wir sie nicht unnötige Risiken aussetzen wollen“, sagte Gebietschefin Asa Lind der „Göteborgs Posten“.

In der vergangenen Woche trafen sich beide Banden erstmals im Stadtzentrum in einem Hotel am Hauptbahnhof, um über ein mögliches Friedensabkommen zu verhandeln. Erst ein Großeinsatz der Polizei konnte das Spektakel mit unzähligen Kriminellen auflösen.

„Ein Gewaltverbrechen gebärt das nächste. Es ist unerhört wichtig, diese Entwicklung frühzeitig zu brechen“, sagte Erik Nord, Polizeichef für den Großraum Göteborg der Zeitung „Dagens Nyheter“. Die Polizei habe die Situation aber im Griff, unterstrich er. Natürlich müsse man Wegsperren ernst nehmen. Aber, dass Banden Spähposten an den Grenzen ihrer Reviere hätten, sei „nicht ungewöhnlich.“

„Wir wissen, was läuft und wissen, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, aber es gibt keine Garantien in diesem System“, so der Polizeichef gegenüber „Aftonbladet“. „Wir können unerhört schnell eine sehr ernste Situation haben, das kann in diesem Konflikt innerhalb von Minuten geschehen.“

Laut der „Göteborgs Posten“ gehe es um Parallelgesellschaften, in denen Banden ihre eigenen Gesetze machen. Laut einem Buch der Mafia-Expertin Johanna Bäckström Lerneby dominiert der Ali-Khan-Clan Göteborg. Der örtliche Führer sei ein 63-jähriger Iman, der ursprünglich aus dem Libanon komme. Die Familienmitglieder seien häufig für Verbrechen bis hin zu Mord vorbestraft. Nur der Anführer sei nicht vorbestraft. Die Bande habe auch Verzweigungen nach Berlin.

Um der Bandenkriminalität mehr entgegenzusetzen, wird in Schweden derzeit die Debatte geführt, ob verurteilte Personen mit Bandenzugehörigkeit doppelt so hohe Strafen erhalten sollten wie Einzeltäter. Das ist so bereits im benachbarten Dänemark der Fall. Auch wird diskutiert, inwieweit der bislang geltende Strafrabatt für Personen unter 21 abgeschafft werden sollte – da Banden aus diesem Grund häufig junge Mitglieder etwa für Morde einsetzen. ANDRÉ ANWAR

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