1944 begann schon die große Flucht aus dem Osten vor den Truppen der Roten Armee. Eine Fülle von ergreifenden Berichten gibt es über diesen Aufbruch, die Wochen auf dem Treck in von Pferden gezogenen Leiterwagen auf verstopften Straßen.
Großartige Menschen haben sich hier bewährt. Oft musste überstürzt alles verlassen werden. Die Teller blieben stehen auf dem Tisch. Das Milchvieh blieb im Stall wie auf der Weide. Die treuen Hofhunde wurden freigelassen, mit Wasser versorgt, aber mitnehmen konnte man sie meist nicht. Alles musste ja auf das unbedingt Notwendigste beschränkt werden.
Eine aus Ostpreußen stammende Leserin hat mir dazu aus ihrer Vertriebenenzeitung eine ganz anrührende Hundegeschichte zugesandt, wahrhaftig erlebt von einer Familie, die Haus und Hof verlassen musste:
Ihr kleiner Dackel aber zog mit ihnen auf dem Treck nach Westen. Jedoch, wie es bei kleinen Dackeln so ist, die von der Weltgeschichte und ihrer Tragik nichts verstehen, witterte er Wald und Wild und ging mal eben kurz seinem Jagdtrieb nach, als der Treck eine Pause machte. So verpasste er den Anschluss an die Seinen. Trotz allen Suchens fanden sie den kleinen Racker nicht wieder, als sie weiterziehen mussten.
Nach 30 Jahren besuchte diese Familie ihre alte Heimat, ihr Haus, ihren Hof. Und sie erfuhren von den neuen Besitzern, dass da 1945 halb verhungert ein kleiner Dackel aufgetaucht war, der mit großer Selbstverständlichkeit von Haus und Hof Besitz ergriff und dem anzumerken war, dass er alles kannte. Man habe ihn beobachtet, wie er auf der Schwelle lag und sehnsüchtig nach draußen schaute, in die Gegend witterte, ob da nicht endlich etwas Vertrautes käme! Nach 15 Jahren hat er sein Hundeleben dann eines Abends beendet, den Kopf auf der Schwelle.
Die Verbindung von Mensch und Hund durch alle Katastrophen der Weltgeschichte ist bezeugt durch die Jahrtausende. Homer schon hat im 14. Gesang seiner Odyssee berichtet, wie Odysseus heimkommt nach Ithaka. Geschunden und verkleidet als Bettler erkennt ihn niemand dort. Allein der alte Hund begrüßt seinen Herrn und aus Freude über dieses Wiedersehen bricht sein treues Herz auf der Stelle.
Der kleine Dackel aus Ostpreußen hatte nicht das Glück des Hundes von Odysseus, der die Heimkehr seines Herrn noch erleben durfte. Bis zum Ende hat er vergeblich ausgespäht nach der Rückkehr seiner alten Familie. Und wie gerne wären auch unsere Vertriebenen wie Odysseus in die Heimat zurückgekehrt, nicht nur besuchsweise. Sie haben sich gleichwohl glänzend bewährt beim Aufbau eines neuen Lebens im Westen.
Politisch war der schließliche Verzicht auf das Heimatrecht der Vertriebenen im Osten notwendig. Aber es bleibt doch die große moralische Leistung dieser Generation, nicht im Hass, sondern in der Liebe zu leben.
Wir haben ihnen zu danken dafür, dass wir heute mit dem benachbarten polnischen Volk in Freundschaft verbunden sind.
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