MIKE SCHIER
Man traut seinen Augen nicht: Seit dem Abschied von Joschka Fischer aus dem Auswärtigen Amt erschöpften sich deutsche Außenminister meist darin, bedeutungsschwanger zu schauen, diplomatische Wortgirlanden zu drehen – und die Außenpolitik Angela Merkel zu überlassen. Nach Guido Westerwelle und Frank-Walter Steinmeier fiel gerade Heiko Maas lange vornehmlich dadurch auf, die Stirn äußerst fotogen in Falten zu legen. Doch mit der EU-Ratspräsidentschaft scheint der SPD-Mann plötzlich zu entdecken, dass man im Umgang mit all den Trumps und Putins einen forscheren Ton anschlagen muss, um überhaupt ernst genommen zu werden.
Schon vergangene Woche absolvierte der Minister mit seinem chinesischen Amtskollegen eine erstaunlich konfrontative Pressekonferenz. Am Wochenende nun drohte Maas den Russen offen wie nie mit einem Ende von Nord Stream 2. Zugleich rügte er Trumps Aufrufe zur doppelten Stimmabgabe als „verstörend“ und warf ihm den „ruchlosen Versuch“ vor, schon jetzt Zweifel am späteren Wahlergebnis zu säen. In der Summe wirkt das so, als erkenne die Bundesregierung endlich, dass sich die westliche Welt nach einer starken Stimme sehnt, die für ihre Werte der Freiheit einsteht. Da dieser US-Präsident für eine solche Aufgabe nicht qualifiziert ist und die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen überhaupt kein Gehör findet, übernimmt nun Berlin.
Doch forsche Worte allein genügen nicht. Entscheidend wird sein, wie konsequent diese Linie verfolgt wird – nicht nur gegenüber Russland, sondern auch im bedrohlichen türkisch-griechischen Gasstreit in der Ägäis.
Mike.Schier@ovb.net