Leipzig – Nach drei Nächten Krawall sieht Leipzig am Sonntag wieder ganz friedlich aus. Doch die Spuren der linksextremistischen Randale sind unübersehbar. Das Fenster eines Neubaus im Stadtteil Connewitz ist zertrümmert, an der Polizeistation zeugen dicke schwarze Farbkleckse und Einschlagspuren auf dem Sicherheitsglas von den Angriffen. Seit Donnerstag haben aggressive Vermummte die Dunkelheit genutzt, um auf die Polizei loszugehen. Auslöser der Krawalle im Leipziger Osten und in Connewitz waren Hausbesetzungen, die von der Polizei beendet worden waren.
Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze nennt die Randalierer „augenscheinliche Linksextremisten“. Nur die gute Schutzausrüstung der Beamten habe dafür gesorgt, dass es bei den Einsätzen nur leichte Verletzungen gab. Insgesamt elf Beamte wurden demnach verletzt. „Die Angriffe auf die Polizeibeamten aus der Dunkelheit, die lassen mich nur an den Tatbestand von Tötungsdelikten denken: heimtückisch und mit Mitteln, die den Tod der Menschen, die getroffen werden, in Kauf nehmen“, sagte Schultze.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) verurteilte die Gewaltausbrüche „aufs Schärfste“. Die Debatte um bezahlbaren Wohnraum habe mit den Besetzungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen einen schweren Rückschlag erlitten, erklärte der OB am Samstag.
Tatsächlich wird in Leipzig – wie in anderen Großstädten auch – die Debatte um Verdrängung und steigende Mieten immer erbitterter geführt. Die Stadt ist stark gewachsen, in zehn Jahren gewann sie 100 000 Einwohner dazu, galt als „Hypezig“ und „The better Berlin“. Inzwischen leben rund 600 000 Menschen in der Stadt.
Im Vergleich zu München oder Berlin sind die Mieten in Leipzig niedrig. Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft gab die durchschnittliche Kaltmiete 2019 bei seinen Mitgliedsunternehmen in Sachsen mit 5,19 Euro pro Quadratmeter an. Doch das sind Bestandsmieten. Neubauten werden nicht mehr für unter zehn Euro kalt angeboten. Laut „Immowelt“ sind die Angebotsmieten im Zehnjahresvergleich um 42 Prozent gestiegen.
Vor zwei Wochen besetzte die Initiative „Leipzig besetzen“ ein leer stehendes altes Haus im Leipziger Osten. Der Besitzer erstattete Anzeige, Gespräche kamen nicht zustande. Am vergangenen Mittwoch rückte schließlich die Polizei an. „Die Hausbesetzung in der Ludwigstraße 71 ist eine Straftat“, betonte Polizeipräsident Schultze. Dazu kam am Freitag noch eine kurze Besetzung im Stadtteil Connewitz. Was folgte, waren die nächtlichen Krawalle.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht den Randalierern aber ab, dass sie überhaupt politische Ziele wie bezahlbaren Wohnraum verfolgen. „Diesen Leuten geht es nicht um dieses Thema. Es geht ihnen darum, gegen unsere Rechtsordnung vorzugehen“, sagte der CDU-Politiker am Sonntag. Man müsse die Sache beim Namen nennen: „Es sind Linksextreme, die sich mit übler Gewalt vergehen an Sachen und an Polizistinnen und Polizisten.“
Schon nächstes Wochenende könnte es in Leipzig wieder unruhig werden. Zu dem Zeitpunkt hätte eigentlich der EU-China-Gipfel in der Stadt stattfinden sollen. Er wurde wegen Corona abgesagt. Linksradikale rufen dennoch zu „kritischen Aktionstagen“ auf. BIRGIT ZIMMERMANN