Berlin – Kann Armin Laschet noch aufholen? Am Samstag reist der NRW-Ministerpräsident extra in den Erzgebirgskreis. Mit seinem sächsischen Kollegen Michael Kretschmer besucht er ein Schaubergwerk, später ist er bei der 30-Jahr-Feier des Freistaats dabei. Es geht um Symbolik und Bilder, sonst jubeln die Leute im Osten schließlich meist Friedrich Merz zu, Laschets größtem Gegner im Kampf um den CDU-Vorsitz. Und nun? Ist Laschet wieder in der Defensive: Er muss vor allem erklären, warum er beim Festkonzert mit 2000 Leuten dabei ist, während in NRW noch strenge Regeln gelten.
Gut drei Monate vor dem geplanten Stuttgarter Wahlparteitag ist das Rennen um den CDU-Vorsitz völlig offen. Besonders vertrackt ist die Lage, weil immer die Frage im Hintergrund steht: Hat der neue CDU-Chef auch die Kanzlerkandidatur im Kreuz? In den Umfragen liegt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hier weit vor den CDU-Kandidaten.
Vor der Sommerpause hatten auch einige in der CDU-Führung große Zweifel, ob Laschet aus dem Umfragetief herauskommen könne. Doch hört man sich derzeit in der Union um, könnte sich das Bild noch drehen. Vielleicht, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, sei Laschet in der Corona-Krise im Vergleich zu dem rigiden Söder ja doch Unrecht getan worden.
Söder galt lange als starker Mann in der Krise, seine Beliebtheitswerte waren geradezu überirdisch. Doch es fällt ihm zunehmend schwer, seinen strengen Corona-Kurs zu erklären, was auch in konservativen Kreisen negativ bemerkt wird. Die „Neue Zürcher Zeitung“ etwa sang unlängst ein Loblied auf Laschet, der im Kampf gegen Corona als erster deutscher Spitzenpolitiker „für Augenmaß und Liberalität geworben“ habe. Fazit: Jetzt gäben ihm die Zahlen recht – und nicht seinem Rivalen Söder.
Ob sich der Wind in der Kanzlerfrage dreht? Zunächst will Laschet CDU-Chef werden – und die Konkurrenz schläft nicht. Von Merz heißt es, er bearbeite intensiv die möglichen Delegierten für den Parteitag. Sein Problem: In der Corona-Pandemie kam er so gut wie nicht vor. Im Moment zieht selbst der als Außenseiter geltende Außenpolitiker Röttgen mehr Aufmerksamkeit auf sich – beim Thema Nawalny. Nicht umsonst dürfte sich Merz jüngst kritisch über die Zukunft der Gaspipeline Nord Stream 2 geäußert haben: Als Konsequenz aus der Vergiftung des Kreml-Kritikers plädiert er für ein zweijähriges Moratorium beim Bau der Pipeline.
Für Laschet steht Ende der Woche eine wichtige Wegmarke an: Daheim in NRW ist Kommunalwahl. Können die Christdemokraten der SPD am Sonntag Oberbürgermeisterposten wie in Düsseldorf abnehmen, dürfte das auch auf sein Konto einzahlen.
Söder und die CSU halten sich aus dem Streit um den CDU-Vorsitz betont heraus. Hinter vorgehaltener Hand ist bei der Unionsschwester aber zu hören, Laschet habe im Vergleich zu Merz aufgeholt, es laufe wohl auf den Ministerpräsidenten zu. Und die Kanzlerkandidatur? Selbst frühere Kritiker Söders auf CDU-Seite meinen heute, der 53-Jährige habe sich im Amt des Ministerpräsidenten verändert. Auch die Kanzlerin, so heißt es, denke heute anders über ihn als noch vor wenigen Jahren. Da zählte er zu einem der schärfsten Kritiker ihrer Migrationspolitik.
Einige in der Union fordern zwar eine zügige Klärung der K-Frage. CDU-Vize Thomas Strobl etwa warb in der „Bild“ für eine „Entscheidung im zeitlichen Umfeld des CDU-Parteitags“ und warnte: „Eine monatelange Hängepartie hilft niemandem, nur den politischen Gegnern.“ Allerdings geht es für die CDU zunächst um eine viel grundlegendere Frage: Kann wegen Corona überhaupt ein neuer Vorsitzender gewählt werden? Am 14. September, dem Tag nach der NRW-Wahl, soll der Parteivorstand entscheiden. Ziel ist, am Treffen der 1001 Delegierten festzuhalten. Der Parteitag könnte am 4. oder 5. Dezember stattfinden, in abgespeckter Form.
Zwar werden auch Alternativen geplant, etwa mit noch mehr Digitalformaten. Aber selbst wenn es bis dahin eine Änderung des Parteiengesetzes gäbe, die Wahlen per Videokonferenz erlauben würde – diese Variante gilt in der CDU als unwahrscheinlich. Zum einen ist die Angst vor einer Anfechtung groß. Zum anderen wollen die drei Kandidaten unbedingt ein Präsenztreffen. Schon wegen der Symbolkraft der Bilder von einem jubelnden Parteitag.