München – Manchmal ist sogar Markus Söder froh, wenn er auf einem Foto nicht zu sehen ist. Ende Juli hatte der Ministerpräsident noch erwogen, eines der von ihm erfundenen Corona-Testzentren an der Autobahn zu besuchen, Dienstreise an die Grenze zu Österreich. Irgendwas kam dann dazwischen, am Ende absolvierten seine Fachminister den Ortstermin an der A93. Söder hätte an den Bildern nicht lange Freude gehabt: Die Testzentren bringen ihm bis heute eh nur schier endlos Ärger ein. Nun wird ihre Geschichte sang- und klanglos enden.
Zum Ende September laufen die Verträge für die drei Teststationen an A3, A8 und A93 sowie an den Bahnhöfen München und Nürnberg aus. Nach dem Ärger über rund 44 000 verzögerte Tests, über 900 davon positiv, verlängert die Staatsregierung die Verträge nicht – im Gegenteil, die am schlimmsten an den Pannen beteiligten Firmen sind gestern noch abgelöst worden. Die Stationen werden abgebaut, getestet wird künftig dezentral in jedem Landkreis. Das Modell sei im Sommer „richtig und wichtig“ gewesen, sagt Söder nun am Dienstag. Man habe damit nie im Nebel herumgestochert. Aber: „Die Gefahr von Urlaubsansteckungen geht sehr stark zurück.“
Der Regierungschef gibt damit auch ein Prestigeprojekt auf. Als erstes Land hatte Bayern den Rückkehrern kostenlose Tests praktisch neben der Autobahn angeboten. Nach den vielen Pannen, die bis heute nicht ausgestanden sind, ist die anfängliche Vorbildwirkung aber verblasst. Im August stand wegen der Autobahn-Tests sogar Söders Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) kurz vor dem Rücktritt, ein Behördenleiter und ein Staatssekretär wurden versetzt. „Fiasko“ und „Schlamassel“ waren noch milde Worte der Opposition.
Kostenlose Tests soll es weiter geben, nun aber in den Heimat-Landkreisen. Dort werden die Testzentren ausgebaut. Oft sind auch hier private Tester und Labore an Bord, manchmal aber auch professionelle Hilfsorganisationen mit hauptamtlichen Kräften. Zuständig sind fortan die Landkreise und großen Städte. Auffällig ist: Söder verzichtet auf ein neues Test-Versprechen. Er will weder eine Frist für Test-Termine noch für Ergebnisse nennen.
In Sachen Autobahn unternimmt er also eine Vollbremsung. Bei anderen Details seiner Corona-Politik steuert er vorsichtiger nach. Noch im September gibt es eine Lockerungswelle für die Gastronomie. Bars und Kneipen, also im Amtsdeutsch Schankwirtschaften, dürfen erstmals seit März wieder öffnen. Bedingungen: Sitzplätze und namentliche Registrierung aller Gäste. Getanzt werden darf nicht, die Musik darf nur im Hintergrund laufen. Söders Koalitionspartner Freie Wähler liegt ihm mit dieser Forderung seit Wochen in den Ohren. Wie viele Betriebe das tatsächlich trifft, ist allerdings offen. Etliche Bars haben sich ja längst zu Speiselokalen umdefiniert und bieten kleine Mahlzeiten an. Alle Clubs und Discos hingegen bleiben zu. „Das könnten Infektionsbomben werden“, warnt der Ministerpräsident.
Das und die Entscheidung, Amateursport wieder fast komplett zuzulassen, dürfte vor den Klausurtagungen der Fraktionen Druck aus der Koalition nehmen. „Für diese Entscheidung habe ich in den vergangenen Wochen mit aller Kraft gekämpft“, triumphiert Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger. „Wir dürfen in Sachen Corona nicht immer nur den Teufel an die Wand malen.“
Genau das klingt bei Söder allerdings anders. Er bleibt bei seinen scharfen Warnungen. „Corona ist mit voller Wucht in Europa zurück. Es ist nicht vorbei. Im Gegenteil.“ Söder mag sich auch nicht auf den Hinweis der Freien Wähler einlassen, der Protest gegen seine strenge Corona-Politik erreiche Teile der Mitte der Gesellschaft. Er sei „überzeugt, dass die Zustimmung nicht schrumpft“. Bei den Kritikern auf den Demos gebe es stattdessen „einen kleinen Teil, der aggressiv wird“.