München/Brüssel – Es wäre eine Überraschung gewesen, hätte Ursula von der Leyen die Gelegenheit nicht beim Schopf gepackt, um ihrem Ziel einer paritätischen Besetzung der EU-Kommission näher zu kommen. Nun hat sie es fast geschafft: Mit der Berufung der Irin Mairead McGuinness zur Nachfolgerin des über die heimischen Corona-Regeln gestolperten Phil Hogan zur neuen Kommissarin steht es im erlauchten Brüsseler Führungsgremium jetzt immerhin 14 (Männer) zu 13 (Frauen).
Mit der 61-jährigen Mutter von vier Kindern setzt von der Leyen auf eine in der Sache harte, aber faire Politikerin. Der Katholikin werden Verhandlungsgeschick und Ehrgeiz nachgesagt. McGuinness arbeitete vor ihrer politischen Karriere als Journalistin bei mehreren Medien, bevor sie 2004 für die liberal-konservative Partei Fine Gael einen Sitz im Europäischen Parlament eroberte. Fine Gael gehört zur Fraktion der Europäischen Volkspartei, deren Vorsitzender Manfred Weber ist. Der Bayer hält viel von der Irin: Sie sei ein „äußerst kompetentes Mitglied des Europäischen Parlaments“, kommentierte er ihre Berufung. Seit 2017 bekleidet McGuinness einen der 14 Posten als Vizepräsidentin. Die studierte Agrarökonomin, die zusätzlich ein Diplom in Finanzwesen hat, soll künftig für Finanzdienstleistungen zuständig sein.
„Frau McGuinness verfügt über bedeutende politische Erfahrungen in EU-Fragen“, begründete von der Leyen ihre Entscheidung. Dies sei von großer Bedeutung, um die Finanzmarktpolitik voranzubringen.
Die deutsche Präsidentin hatte die irische Regierung nach Hogans Rücktritt zunächst aufgefordert, zwei Kandidaten für seine Nachfolge vorzuschlagen, eine Frau und einen Mann. Dublin präsentierte McGuinness und den früheren Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank, Andrew McDowell. Von der Leyen entschied sich dann nach Gesprächen mit beiden Kandidaten für McGuinness.
Den frei gewordenen Sitz Hogans als Handelskommissar wird künftig mit dem Letten Valdis Dombrovskis ein politisches Schwergewicht besetzen. Das tut auch not: Der Handelskommissar zählt zu den wichtigsten Akteuren in Brüssel. Er handelt im Namen der 27 Mitgliedstaaten nicht nur neue Verträge mit anderen Ländern und Regionen dieser Welt aus, sondern muss sich auch um Handelskonflikte wie mit China kümmern. „Es ist mir eine Ehre und Freude, dass mir Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Handelsportfolio überträgt“, kommentierte Dombrovskis seine Nominierung. Er freue sich sehr darauf, an diesem wichtigen Dossier zu arbeiten.
Es ist nicht der erste Job von Gewicht: Dombrovskis war von 2009 bis 2013 Ministerpräsident Lettlands und gehörte bereits unter dem Luxemburger Jean-Claude Juncker der EU-Kommission an. Derzeit arbeitet er als geschäftsführender Vizepräsident der Kommission ohnehin bereits in herausgehobener Position. Der 49-Jährige spricht Lettisch, Deutsch, Englisch und Russisch.
Beiden Personalentscheidungen von der Leyens muss das Europäische Parlament noch zustimmen.
ALEXANDER WEBER