Wie bedrohlich ist die Lage in Westeuropa?

von Redaktion

Frankreich, Italien, Dänemark – um Deutschland herum scheint sich die Corona-Lage zuzuspitzen

Paris/Madrid/Rom – In Madrid spitzt sich die Corona-Lage zu, Frankreich kämpft mit einem rasanten Anstieg der Fallzahlen und auch in Italien gibt es so viele Neuinfektionen wie seit Monaten nicht. Zu beachten ist dabei aber, dass – wie in Deutschland – die Zahl der Tests enorm zugenommen hat und die Altersverteilung eine andere ist. Was bedeuten die Werte – und wie lange bleibt Deutschland noch relativ verschont?

Von Land zu Land beeinflussten Faktoren wie die durchschnittliche Familiengröße und die Mobilität der Bevölkerung das Geschehen unterschiedlich. Darum sei es schwierig, einen Schwellenwert festzulegen, ab dem das Virus außer Kontrolle gerät, sagt der Berliner Virologe Christian Drosten. In Frankreich sei diese Grenze womöglich überschritten.

Derzeit kommen in Frankreich (67 Millionen Einwohnern) täglich 6000 Neuinfektionen hinzu. Das bisherige Maximum war Ende März mit 7500 neu erfassten Fällen binnen eines Tages vermeldet worden. Allerdings steigt auch in Frankreich die Zahl der Tests: Wurden Ende Mai binnen einer Woche noch weniger als 40 000 Menschen getestet, waren es jüngst mehr als 850 000. Die Rate positiver Tests lag zuletzt bei gut vier Prozent.

Wie in anderen Ländern stecken sich auch in Frankreich heute verstärkt junge Erwachsene mit Sars-CoV-2 an, nach Behördenangaben hauptsächlich bei Feiern und Urlaubsreisen. Daher ist die Zahl der im Krankenhaus behandelten Patienten gering: Stand Montag waren 4907 Menschen wegen Covid-19 in Kliniken, 537 auf einer Intensivstation. Als Risikogebiete gelten momentan vor allem der Großraum Paris und die Region Côte d’Azur.

In Spanien (47 Millionen Einwohner) bereitet vor allem Madrid Sorgen. Seit Ende Juni steigt die Zahl der landesweiten Neuinfektionen an, Anfang des Monats wurden mehr als 4500 Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Das bisherige Maximum lag bei 9222 Fällen am 31. März. Die Zahl der Tests hat sich seitdem auf 200 000 pro Woche vervierfacht.

In Italien verzeichnen derzeit Kampanien, das Latium mit der Hauptstadt Rom und die Emilia-Romagna die meisten Neuinfektionen. Neben Einschleppungen aus dem Ausland spielen laut Gesundheitsministerium Freizeitaktivitäten und die gestiegene Mobilität jüngerer Menschen eine Rolle. In dem Land mit gut 60 Millionen Einwohnern wurden zuletzt im Mittel wieder rund 1300 Neuinfektionen täglich gemeldet. Der bislang höchste Wert lag bei 6557 registrierten Fällen am 21. März. Auch hier stieg die Zahl der Tests stark: von rund 195 600 in der Woche vom 23. bis 29. März (damals gab es den größten Anstieg an Neuinfektionen) auf inzwischen etwa 633 000. Rund 1,5 Prozent fallen derzeit positiv aus – während der Welle im Frühjahr waren es fast 20 Prozent. Das Durchschnittsalter der Infizierten lag zuletzt bei 32 Jahren, im März war es doppelt so hoch.

Auch in nordeuropäischen Ländern wie Dänemark und Norwegen ist die Zahl der Neuinfizierten in den letzten Tagen sprunghaft gestiegen.

Überall ist das Durchschnittsalter ziemlich jung – was sich rasch ändern kann. „Was jetzt bei jüngeren Menschen passiert, wird in wenigen Wochen bei älteren Menschen passieren“, hatte Anders Johansson, Experte für Infektionskrankheiten an der Universität Umeå in Schweden, kürzlich gewarnt. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) mahnt eindringlich, das Virus könne bald wieder ältere und besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen treffen.

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