Berlin – Angesichts der Dramatik des Klimawandels wirbt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier für einen „historischen Kompromiss“ zwischen Klima und Wirtschaft. Der CDU-Politiker forderte am Freitag, dem Klimaschutz Vorrang einzuräumen und zugleich die Unternehmen vor Nachteilen im Wettbewerb zu schützen. „Ich bin der Auffassung, dass wir Klimaschutz als die zentrale und vorrangige Herausforderung unser Generation begreifen und auch entsprechend handeln müssen“, sagte Altmaier.
Die Bundesregierung habe nicht entschieden genug reagiert, räumte er ein, und damit vor allem die jüngere Generation verärgert: „Die jungen Leute fragen uns, warum sie uns glauben sollen.“ Das EU-Klimapaket „Green Deal“ sei „möglicherweise die letzte Chance unserer Generation“, die Erderhitzung noch zu verlangsamen.
Dass dieser Vorstoß ein Jahr vor der Bundestagswahl kommt, dürfte kein Zufall sein. Die Union hat beim Klimaschutz eine offene Flanke, weil Altmaier und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für die junge Klimabewegung Fridays for Future Buhmänner sind.
Nicht alle der 20 Vorschläge Altmaiers sind neu. Eines der zentralen Themen ist eine sogenannte Charta, die bis zur angestrebten Klimaneutralität 2050 jährliche Treibhausgas-Minderungsziele (Budgets) festlegen soll. Bisher gibt es nationale Budgets im Klimaschutzgesetz nur bis 2030. Die Charta soll festlegen, dass ein bestimmter Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts für Klimaschutz und Wirtschaftsförderung ausgegeben wird.
Öffentliche Einrichtungen in Bund, Ländern und Kommunen sollen schon 2035 treibhausgasneutral sein, also ihren CO2-Ausstoß möglichst reduzieren und über Klimaschutz-Maßnahmen „ausgleichen“. Marktwirtschaft soll der Schlüssel im Klimaschutz sein – Altmaier will dafür den Handel mit Verschmutzungsrechten auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene reformieren.
Das sei kein Vorstoß der Bundesregierung, sondern von ihm persönlich, sagte Altmaier. SPD-Umweltministerin Svenja Schulze, die vorher nicht informiert war, reagierte zurückhaltend bis irritiert: Altmaier könne „täglich seinen Worten Taten folgen lassen“, etwa beim Ökostrom-Ausbau. Es gebe ja schon ein Klimaschutzgesetz und das Pariser Klimaabkommen: „Eine eindrucksvollere Charta für den Klimaschutz kann es kaum geben.“
Strategisch dürfte das Hissen der Klimaschutz-Fahne ein Jahr vor der Bundestagswahl vor allem gegen die Grünen gerichtet sein. Parteichefin Annalena Baerbock zeigte sich unbeeindruckt: „Die Überschriften in dem Papier klingen gut und richtig, aber leider mangelt es aus meiner Sicht an Substanz.“
Die Grünen hoffen für den Wahlkampf auch auf indirekte Unterstützung von Fridays for Future. Luisa Neubauer, die bekannteste Vertreterin in Deutschland, reagierte auf Altmaiers Pläne nicht gerade überzeugt: Man habe keine Zeit für „leere Ankündigungen“, schrieb sie auf Twitter.