München – Es hat sich viel aufgestaut, zu viel, um nach getaner Arbeit nett nebeneinander im Restaurant zu sitzen. Deshalb wird die Klausur der bayerischen AfD-Fraktion wohl anders ablaufen als geplant. Das für morgen angesetzte Abendessen zum Beispiel fällt aus, stattdessen soll die Sitzung bis 22 Uhr verlängert werden. Einziges Thema: interne Angelegenheiten.
Die Fraktionschefs Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn hatten sich das anders vorgestellt. Aber seit beide im Mai nur knapp ihrer Abwahl entgangen sind, haben sie die Mehrheit der Abgeordneten –zwölf von 20 – gegen sich. Die tut seither alles, um die Fraktion maximal auf sich zuzuschneiden. Die morgen beginnende Herbstklausur soll der nächste große Schritt sein. Aus der Fraktionsspitze heißt es, man rechne mit einer „Schlammschlacht“.
Zum Auftakt hat die „Zwölfer-Gruppe“ eine lange Liste mit Änderungsanträgen zur Tagesordnung vorgelegt, die wohl durchgehen wird. Sie liegt unserer Zeitung vor. Die Abgeordneten fordern darin radikale Transparenz, etwa Einsicht in einen Prüfbericht des Obersten Rechnungshofs und eine Aufstellung aller internen und externen Mitarbeiter samt Aufgabenbeschreibung. Außerdem sollen dem Vorstand ab 1. Oktober alle Zulagen gestrichen werden, solange er „gegen die Mehrheit der Fraktion arbeitet“.
Die Zwölf gehen noch weiter, sie drängen auf einen internen Umbau. Bei der Klausur sollen sämtliche Ausschussposten neu besetzt werden. Dahinter steckt vor allem die anhaltende Kritik an der Arbeitsmoral mancher Parlamentarier. Ihre Gegner werfen Ebner-Steiner etwa vor, im wichtigen Haushaltsausschuss regelmäßig zu fehlen und sich ansonsten kaum zu beteiligen. Statt ihr könnte ihr Konkurrent, der Rosenheimer Franz Bergmüller, in den Haushaltsausschuss wechseln. Ferdinand Mang, ebenfalls Mitglied des Vorstands, könnte im Ausschuss durch Anne Cyron ersetzt werden.
Am Ende, so fürchtet die Minderheit in der Fraktion, könnte sie völlig aus den Parlamentsausschüssen verdrängt werden. Auch ein Mitglied der „Zwölfer-Gruppe“ betont, es gebe „keine Pflicht, jeden Abgeordneten mit einem Posten zu versorgen“.
Die Umbesetzung war eigentlich schon im Juli mit einfacher Mehrheit beschlossen worden. Der Vorstand hatte damals aber argumentiert, die Ausschussmitglieder seien zu Beginn der Legislaturperiode gewählt und nicht per Akklamation bestimmt worden, deshalb brauche es laut Satzung eine Zwei-Drittel-Mehrheit von 14 Abgeordneten. Der Umbau ist deshalb bis heute nicht umgesetzt. Damit es dabei bleibt, sollen sich Ebner-Steiner und Co. für die Klausur mit einem juristischen Gutachten gewappnet haben.
Die Zeichen stehen also mal wieder auf Streit. Dass die längst geteilte Fraktion noch einen Weg der Verständigung findet, gilt als ausgeschlossen. „Wir bemühen uns, Ordnung in den Laden zu bringen“, sagt einer aus der „Zwölfer-Gruppe“. Natürlich werde man dem „so genannten Vorstand auch noch mal nahelegen, die Segel zu streichen“ – aber der denkt nicht daran. Stattdessen wollte er das Wochenende dazu nutzen, Wackelkandidaten zu bearbeiten, um die Mehrheitsverhältnisse vielleicht doch noch mal zu ändern.
Wenn Zeit bleibt, soll es am Rande auch noch um Inhalte gehen. Ein Positionspapier zur Corona-Politik ist möglich, außerdem soll die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss im Fall Wirecard bekräftigt werden.
Wie groß der Frust ist, zeigt eine interne Mail des Vize-Fraktionsgeschäftsführers, der bei der Klausur abgesetzt werden soll. Er sei „niedergeschlagen und absolut sprachlos“, schreibt er, offenbar an Ebner-Steiner und Co. gerichtet. Die Mail endet mit: „Haltet durch“. MARCUS MÄCKLER