Lesbos/Wien – Auf der griechischen Insel Lesbos bleibt die Lage auch nach Öffnung erster Ersatz-Unterkünfte für Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager Moria angespannt. Die griechische Regierung schickte am Sonntag weitere Polizeieinheiten sowie gepanzerte Geländefahrzeuge auf die Insel. Mehr als 300 Menschen konnten ein provisorisch errichtetes Zeltlager beziehen. Bei Corona-Tests wurde festgestellt, dass sieben von ihnen infiziert sind. Tausende Migranten leben nach wie vor auf der Straße. Viele wehren sich dagegen, erneut in ein Lager gebracht zu werden.
Am Sonntag berichteten griechische Medien, dass einige Migranten andere daran hinderten, das frisch errichtete Zeltlager zu beziehen. Das bestätigte auch ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation. Griechenlands Bürgerschutzminister Michalis Chrysohoidis warnte militante Migranten: Griechenland sei ein Rechtsstaat, man werde auch nicht die kleinste illegale Aktion akzeptieren.
Angesichts des Elends rief Papst Franziskus Europa zum Handeln auf. Er erinnerte in Rom an einen Besuch auf Lesbos 2016 und seinen Appell für eine „menschenwürdige Aufnahme der Migranten und Flüchtlinge, derjenigen, die Asyl in Europa suchen“.
Auch die deutsche Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen geht weiter. CSU-Chef Markus Söder sagte am Sonntagabend via „Bild“, die Koalition werde diese Woche „nochmal intensiv diskutieren“. Es sei für Deutschland möglich, „einen deutlich höheren Anteil zu übernehmen“. Vor allem betreffe das Kinder, deutete er an. Auch Bayern werde dann einen Beitrag leisten. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken forderte: „Deutschland muss vorangehen und kann sich auch unabhängig von der Entscheidung anderer EU-Länder zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge bereit erklären.“ Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte unserer Zeitung: „Selbst einige Abgeordnete der Union fordern jetzt 5000 Personen aufzunehmen, das würde für eine wesentliche Entspannung auf Lesbos sorgen.“ Innenminister Horst Seehofer selbst habe vor Monaten die Koalition der Willigen vorgeschlagen. „Jetzt hätte er die Chance, das, wovon er oft spricht, auch umzusetzen: Humanität und Ordnung.“
In Österreich sorgt die Debatte über Moria für erhebliche Spannungen in der konservativ-grünen Koalition. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) lehnte strikt ab, Migranten – auch Kinder – aufzunehmen. In einem Video warnte er davor, dass sich 2015 wiederhole und verwies auf die damals „schrecklichen Bilder am Bahnhof in Budapest“. In der Folge hätten Schlepper Unsummen verdient, unzählige Menschen seien im Mittelmeer ertrunken. Nun sehe er dieselbe Gefahr mit Moria. Grünen-Chef Werner Kogler kritisierte die Argumentation mit einem „Sog-Effekt“ indes scharf. „Diese Ansicht ist nicht nur falsch, sie ist auch am Rande des Zynismus“.
Österreichs Regierung kündigte an, nächste Woche 400 Unterkünfte mit Heizungen und Betten für 2000 Menschen nach Griechenland zu schicken. bms/cd/dpa/afp